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Standard: Der Klang der Vuvuzelas wird mit zum Teil abenteuerlichen Dingen assoziiert - mit verzweifeltem Babygeschrei, Hornissennestern, gar Elefantenwinden. Womit assoziiert ihn das geschulte Ohr, womit assoziieren Sie ihn?

Puschnig: Mit Begeisterung.

Standard: Vuvuzela heißt in der Sprache der Zulu so viel wie "in Musik duschen". Ist das Musik, oder anders gefragt, was ist Musik?

Puschnig: Das ist eine sehr gute Frage, die eigentlich nur ein Philosoph beantworten kann. Ich finde aber, dass diese Klänge nicht allzu viel mit Musik zu tun haben.

Standard: Dennoch haben Sie auf Ihrem Institut für Popularmusik an der Uni einem Workshop Raum gegeben, der die Bildung eines Vuvuzela-Orchesters zum Ziel hatte. Was ist daraus geworden?

Puschnig: Ich habe das unterstützt, aber ich weiß gar nicht, ob es jetzt ein Orchester gibt. Ich glaube, die Nachfrage war nicht rasend.

Standard: Spielen Sie übrigens selbst die Vuvuzela?

Puschnig: Ich habe es schon probiert, und es ist gar nicht so leicht, einen gescheiten Ton aus dem Ding herauszubringen. Leute, die Blechblasinstrumente wie Trompete spielen, sind da im Vorteil.

Standard: Sie spielen aber ein Instrument, das im Porgy & Bess wie die Vuvuzela "Tröte" genannt wird.

Puschnig: Nur in Ermangelung anderer Bezeichnungen. Das ist ein koreanisches Doppelrohrblasinstrument, hat aber mit Vuvuzelas nichts zu tun.

Standard: Ist die Vuvuzela mehr als bloß ein Krachmacher?

Puschnig: Sie ist definitiv mehr als ein Krachmacher. Ich selbst bin kein Fußball-Fanatiker, aber in den Stadien scheint mir das schon passend zu sein.

Standard: Der Eindruck entsteht aber nicht, wenn man sich den Fernsehton der WM-Spiele so anhört. Das ist ein einheitliches Tröten, mal leiser, viel öfter aber lauter. Kann man da überhaupt verschiedene Töne produzieren?

Puschnig: Dadurch, dass es organisiert ist, kriegt es natürlich mehr Power. Aber man kann schon verschiedene Töne erzeugen. Es richtet sich nach den Größen der Dinger und danach, wie sie kombiniert werden. Das wird in afrikanischen Kulturen auch mit verschiedenen Flöten gemacht, mit bestimmten Abfolgen. Das erinnert dann zum Beispiel auch an Marimbas, diese Schlaginstrumente, die ja auch aus Afrika kommen.

Standard: Trotzdem sorgen sie für Diskussionen. Die WM-Spieler verstehen ihr eigenes Wort nicht mehr, die TV-Zuschauer beschweren sich über den Dauerlärm bei den WM-Spielen, und mit Hinweis auf mögliche Gehörschäden wird ein Vuvuzela-Verbot in den Stadien gefordert. Berechtigt?

Puschnig: Verbote wären schwer übertrieben. Das ist eben etwas, das nicht aus unserer Kultur kommt, deshalb wird es abgelehnt. Lärm in Stadien ist ja wirklich nichts Ungewöhnliches, da gibt es Sirenen, die viel lauter sind, es wird getrommelt und gepfiffen. In dieser Art sind früher Kriege unterstützt worden, das ist ja nicht so weit weg vom Fußball. Diese Art der Lautäußerung entspricht der menschlichen Natur. Und wenn man über mögliche Schäden spricht - bei Übertragungen kann das kein Problem sein, man kann ja jederzeit leiser drehen. Und sonst ist jedes Rockkonzert ärger.

Standard: Viel Aufregung also um relativ wenig?

Puschnig: Nach der WM ist das eh wieder vorbei. Ich finde jedenfalls, dass es viel gescheiter ist, man bläst in die Vuvuzela, als man haut seinem Nachbar eins über den Schädel.

Standard: Ein Frage muss schon noch sein: Wer wird Weltmeister?

Puschnig: Keine Ahnung, das Turnier entwickelt sich ja erst. Ich hoffe, dass es eine afrikanische Mannschaft wird, aber ich fürchte, das wird es nicht spielen. (Sigi Lützow, DER STANDARD, Printausgabe, Mittwoch, 16. Juni 2010)