Wien - Wie sieht die Kulturstadt Wien der Zukunft aus? Zu dieser Frage hatte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny im April 2008 eine regelmäßige Gesprächsrunde zahlreicher Bedenken- und Entscheidungsträger ins Leben gerufen. Ziel war ein Diskurs abseits der Tagespolitik. Als Zwischenergebnis wurde nun ein 15-seitiges Thesenpapier formuliert und der Internetblog "Wien denkt weiter" ins Leben gerufen. Mit dessen Hilfe soll die Diskussion nun aus dem Kreis der Kulturmanager, -schaffenden und Wissenschafter hinausgetragen werden.

Den Auftakt stellt ein Kongress am Mittwoch, 16. 6., dar. Unter dem programmatischen Titel "Wien denkt weiter" versammeln sich prominente Diskursteilnehmer im Theater Odeon, darunter Diedrich Diederichsen, Alexander Horwath, Wolfgang Kos, Gerald Matt oder Christoph Thun-Hohenstein. Mit der öffentlichen Diskussion soll das erarbeitete Thesenpapier weitergedacht werden und schließlich in einen Katalog von Visionen für die Wiener Kulturlandschaft münden.

"... auch Aufhören organisieren"

Bereits jetzt haben die Initiatoren verschiedene, überwiegend allgemein gehaltene Thesen zur Wiener Kulturpolitik zusammengetragen. Allerdings sind auch jetzt bereits einige konkrete Vorschläge eingearbeitet. So benötige Wien architektonisch avancierte Kulturbauten, welche die Stadt als eine des 21. Jahrhunderts definierten. "Mut zum architektonischen Signal", heißt es im Thesenpapier, in dem explizit ein neues Wien-Museum angesprochen wird.

Auch müsse es in Wien überschaubare, kurze, punktuelle Festivals avancierter Kunst geben. Als Beispiele werden ein Dokumentarfilm-, ein Rapperfestival oder eine Kunstbiennale genannt. Im Gegenzug dürfe Bestehendes nicht per se auf ewig unterstützt werden: "Kulturpolitik muss nicht nur das Beginnen fördern, sondern auch Aufhören organisieren."

Eine aktive Kulturpolitik müsse den Streit suchen, sich für eine soziale und liberale Stadt ins Zeug werfen. Sie müsse selbst kontroversiell sein, nicht Repräsentationskultur betreiben. Ein Mittel seien Calls zur spartenübergreifenden Realisierung von Themen wie Migration. "Was wäre, wenn man alle Wiener Kulturinstitutionen verpflichtet, sich zumindest ein Jahr lang mit dem Thema Migration zu befassen?", so die Idee der Kulturvisionäre: "Eine Stadt ist immer ein plurales Gebilde mit Konflikten - keine Idylle."

"Brutplätze"

Künftig müsse durch niederschwellige Kulturräume der egalitäre Zugang zu Kultur ermöglicht werden, wobei man in Wien auf eine "lokale Moderne in globaler Vernetzung" setzen solle. Es müssten "Brutplätze" der Subkultur geschaffen werden, in denen freie Kreativität möglich sei. Zugleich dürften diese jungen Entwicklungen nicht primär als Kreativwirtschaft unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden: "Dabei hat auch das, was sich nicht rechnet, seine Berechtigung." Auch im Netzkulturbereich müssten Impulse gesetzt werden.

Grundsätzlich stelle Wien jedenfalls den Anspruch, eine Kulturmetropole von kontinentaler Relevanz zu sein, wobei die Politik sich zur öffentlichen Kulturfinanzierung bekenne. Gegebenenfalls müssten schnell adaptierbare Instrumente entwickelt werden, wo hergebrachte Fördermodelle nicht wirkten. (APA)