Wien - Fühlen Sie sich verbraucht oder als Auslaufmodell? Keine Panik. Kommen Sie in den Resselpark, dort können Sie sich in der "Recyclingmaschine" der Wiener Künstlergruppe God's Entertainment ganz neu machen lassen. Dann wird alles anders. Sie werden nämlich, sofern Sie rezyklierbar sind, wieder ein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft sein. Mit dem richtigen Beruf und der rechten Motivation. Zu verdanken ist diese Errungenschaft dem von Festwochen-Schauspieldirektorin Stefanie Carp und der ehemaligen Tanzquartier-Intendantin Sigrid Gareis kuratierten Format "Alles anders?" im Rahmen der Festwochen.

God's Entertainment ist eine aufsässige Bande, die sich gerne in den "öffentlichen Raum" begibt und dort gar nicht dekorativ tätig ist. Da konnte es früher auch zu inszenierten Prügelszenen kommen oder dazu, dass dem Publikum unsanft der Kopf gewaschen wird. Ist das der Grund dafür, dass die Stadt Wien ihre Förderung für diese Gruppe empfindlich kürzte?

 Nicht didaktisch

 Gerade solche Künstler, die auf die gegenwärtige Krise nicht mit Gejammer, sondern mit Witz und Würze reagieren, versammelt die zweiwöchige Veranstaltung "Alles anders?" noch bis zum 19. Juni im Project Space der Kunsthalle Wien. "Die Zeiten eines Umbruchs, bevor oder während ein Umdenken stattfindet, sind immer die interessanteren und intelligenteren Zeiten" , sagt Carp. Und Gareis erklärt: "Wir wollen offen zur Diskussion stellen, wie in dieser unsicheren Zeit mit neuen Denkhaltungen und -ansätzen umzugehen ist." Zum Glück kommt ihr Programm aus Performance-Installationen und Lecture-Performances trotzdem nicht didaktisch daher.

Zum Auftakt reiste das Kollektiv Geheimagentur aus Hamburg und Wales im Gespann mit der chinesischen Gruppe Dafen Inc. an. Dafen ist die Welthochburg der - legalen - Kunstfälschung. In dem Ort nahe Hongkong leben 12.000 Künstler, die ihr Geld mit dem Bilderkopieren im Akkord verdienen. Die Ware geht an große westliche Handelsketten. "Diese Künstler leben im Prekariat und wir genauso" , erklärte die Geheimagentur und lobte gemeinsam mit den Konzeptualisten der Dafen Inc. den subvertierenden Wert der Kopie.

Der französische Choreograf Xavier Le Roy rekonstruierte minutiös den gesamten Ablauf seiner Einladung und las sein Protokoll zur dramatischen Musik des Films Mission Impossible vor. Julius Deutschbauer und Alvin Z. Sudia zerstritten sich unter dem Titel facebook öffentlich, der Videokünstler und Theatermacher Chris Kondek präsentierte das Geld als körperfressenden außerirdischen Parasiten, der den Menschen als Wirt benutzt. Und der schwedische Künstler-Kurator- Theoretiker Mårten Spångberg bewies zusammen mit der Performerin Krõõt Juurak, dass es in der Krise eine Poesie gibt, die ihre Kritik in betörend duftende Worte packt.

Allen bisherigen Statements ist gemeinsam, dass sie Veränderungen von politischen Schwachstellen nahelegen und dafür mit Übersetzungen sowie Neudefinitionen arbeiten. "Alles anders?" ist, so Stefanie Carp, "eine Forschungszelle innerhalb des Festivals, in der sich überschneidende ,Disziplinen‘ der Kunst miteinander kommunizieren. Theater ist nicht mehr nur einfach Schauspiel. Der Großteil des wirklich guten Theaters nährt sich von der bildenden Kunst, vom Tanz und von der Musik." Bis zum Ende der Woche sind noch Begegnungen mit u. a. Elke Krystufek, Jan Ritsema, Andrea Fraser und Rabih Mroué zu erleben. Und die Recyclingmaschine von God's Entertainment läuft noch bis Samstag. Ziemlich sicher auf Hochtouren. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.6.2010)