Herzstück der neuen Siemens City ist die begrünte Plaza mit Sitzgelegenheiten und informellen Conference-Areas.

Foto: Siemens/Pez Hejduk

Draußen auf der Straße lässt die Infrastruktur allerdings zu wünschen übrig.

Foto: Siemens/Pez Hejduk

Wien - Am Freitag fand die feierliche Eröffnung der sogenannten Siemens City statt. Der bedeutungsschwangere Name des neuen Unternehmensstandorts in Wien-Floridsdorf ist nicht grundlos gewählt. "Der Bau der Siemens City ist ein klares Statement zum Standort Wien und zu seinen Entwicklungsmöglichkeiten", stellte Brigitte Ederer, Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, fest. "Durch die Zusammenführung unterschiedlicher Standorte wollen wir eine neue gemeinsame Siemens-Identität schaffen."

Selten zuvor wurde beim Neubau eines Unternehmenssitzes in Österreich die Karte der Corporate Identity so stark ausgespielt wie hier. Von Effizienzsteigerung war nie die Rede. Nein, es gehe in erster Linie um das Zusammentreffen von Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Geschäftsbereichen an einem Ort. Das schaffe Identität. Darum geht es.

Plaza als Herzstück

Ein Teil der Konzernmitarbeiter ist schon Ende letzten Jahres übersiedelt, in der vorläufigen Endausbaustufe im Herbst 2010 soll die Siemensstadt von rund 6000 Arbeitskräften bevölkert sein. Das kollegiale Versprechen gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern löst der Konzern in der Tat ein: Herzstück und somit Zentrum der neuen City ist eine Plaza mit Indoor-Gärten sowie mit der nötigen Infrastruktur, die der Alltag einem abverlangt: Gastronomie, Bücherei, Copy-Shop, Reisebüro, Bankinstitut und Fitness-Center.

Zu ebener Erd - eingefasst in gemütliche Ecken aus Bambusholz und Wasserspiel - sowie in akustisch etwas isolierenden Balkonblasen, die in jedem Stockwerk in die Plaza ragen, stehen den Mitarbeitern auf 3000 Quadratmetern Chill-Areas und informelle Besprechungsbereiche mit WLAN und Soft Phones zur Verfügung. "Man darf nicht unterschätzen, wie viele Leute hier eines Tages arbeiten werden", sagt Georg Soyka vom planenden Architekturbüro Soyka Silber Soyka. Das seien Größenordnungen einer Kleinstadt.

"Die Siemens City ist ein Aushängeschild, was Nachhaltigkeit betrifft", erklärt Soyka. "Wir haben hier unterschiedliche Technologien von Erdwärme über Solarenergie bis Regenwassernutzung für Spülzwecke eingesetzt." Durch die 120 Tiefenbohrungen, die für Heizung und Kühlung verwendet werden, können jährlich rund 40.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Sämtliche Arbeitsplatzleuchten sind mit Helligkeitssensoren ausgestattet.

Zielvorgabe LEED Gold

Die Siemens City nimmt am Green-Building-Programm der EU teil. Gleichzeitig ist ein Zertifizierungsverfahren nach LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) des US Green Building Councils im Gange. Soyka: "Die Zielvorgabe ist Gold. Das sollten wir schaffen." Ende 2010 wird das Resultat präsentiert.

Eine Kritik am 150-Millionen-Euro-Vorzeigeprojekt darf nicht fehlen. "Bautechnisch mag es ein Fortschritt sein, stadtentwicklungspolitisch aber sicher nicht", sagt der Wiener Stadtplaner Reinhard Seiß. "6000 Arbeitsplätze auf die grüne Wiese zu setzen, ohne dabei zu versuchen, den Bürocluster mit Wohnungen, Bildung und anderen Nutzungen zu durchmischen, zeugt von städtebaulicher Ignoranz. So kann keine City entstehen."

Die Kritik gilt in erster Linie der Stadt Wien. Offenbar habe sie es verabsäumt, Siemens als Partner für ein Stadterweiterungsprojekt zu gewinnen, dessen Mehrwert über das reine Firmenareal hinausgeht, meint der Stadtplaner. "Wie es scheint, scheut Wien vor komplexer Stadtplanung zurück und ermöglicht eine monofunktionale und autoabhängige Bürowüstung nach der anderen." So bleibt die an sich hochwertige Siemens City aus städtebaulicher Sicht ein Fremdkörper, eine selbsternannte Stadt in der Stadt. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.6.2010)