Salzburg - Bei diesem Thema sind sich alle im Salzburger Gemeinderat vertretenen Fraktionen einig: Die von der Verbundgesellschaft vorgeschlagene Trasse der 380-KV-Leitung über den Gaisberg darf nicht gebaut werden. Die Stadt hat gemeinsam mit Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen am Sonntag eine Sternwanderung auf den 1288 Meter hohen Salzburger Hausberg organisiert, um gegen die Zerstörung des Naherholungsgebietes zu demonstrieren. Immerhin besuchen jährlich rund 1,2 Millionen Menschen den Gaisberg, über den eine 70 Meter breite Schneise für die "Stromautobahn" geführt werden soll.

Das umstrittene Leitungsprojekt ist Teil der österreichischen 380-KV-Ringleitung. Der Salzburger Teil führt dabei von St. Peter am Hart (Bezirk Braunau) nach Elixhausen (Flachgau) und im zweiten Abschnitt weiter bis nach Kaprun (Pinzgau).

Bürgermeister Heinz Schaden (SP) hat am Sonntag vor den rund 300 Kundgebungsteilnehmern am Gaisberggipfel erbitterten Widerstand angekündigt. Man werde alle juristischen Mittel bis zu den Höchstgerichten ergreifen, so das Stadtoberhaupt. Salzburg-Stadt hat in allen anstehenden Verfahren Parteistellung.

Neben der Zerstörung eines der wichtigsten Erholungsräume der Landeshauptstadt sorgt sich Schaden auch um den Status Weltkulturerbe. Diese Auszeichnung sei dem deutschen Dresden nach dem Bau einer neuen Brücke über die Elbe von der Unesco wieder aberkannt worden, obwohl die Brücke gar nicht in der Schutzzone gelegen sei, warnt Schaden.

Mit Klagen will auch der Sprecher der Bürgerinitiative Guggenthal-Heuberg, Hans Kutil, die Projektbetreiber eindecken. Der ehemalige Chefredakteur des ORF Salzburg argumentiert mit der Bodenbeschaffenheit am Gaisberg. Dort finde man den sogenannten Bergschlick. Eingriffe wie etwa Entwaldungen oder Belastungen durch Bauwerke könnten bei diesem Boden rasch zu Murenabgängen führen.

Landesgesetz erzwingt Trasse

Auffallend still verhält sich - trotz der Proteste der Stadt - das Land Salzburg. Dort kommen die Aktionen von Schaden und seinen Mitstreitern offensichtlich ungelegen, finden sie doch vor der für 22. Juni anberaumten Sitzung des "Lenkungsausschusses" statt. In diesem von Landesregierung und Energiewirtschaft beschickten informellen Gremium will man sich auf dem Verhandlungsweg auf "Trassenvarianten im Sinn der Bevölkerung" (Text der Landeskorrespondenz) verständigen.

Letztlich trage, wie der Vorstand der Verbund-Tochtergesellschaft Austrian Power Grid, Heinz Kaupa, in den Salzburger Nachrichten meinte, das Land selbst die Verantwortung für die Gaisbergtrasse. Das Landeselektrizitätsgesetz schreibe große Abstände zu den Siedlungen vor, so dränge man die Leitungen in die Wälder.

Am Rande der Kundgebung der 380-KV-Gegner am Gaisberg ist Kaupas Name noch in einem anderen Zusammenhang gefallen. Verbund-Manager Kaupa ist auch stellvertretender Bundesvorsitzender des SP-nahen Alpinvereines Naturfreunde. Die Salzburger Naturfreunde haben auch zum Protest gegen die 380-KV-Leitung aufgerufen. (Thomas Neuhold/DER STANDARD, Printausgabe, 14. Juni 2010)