Wien - Aufgesetzt und unglaubwürdig: So wirken die Schlüsse zahlloser Opern des 17. und 18. Jahrhunderts, die unter allen Umständen ein glückliches Ende - lieto fine - forderten. Besonders wenn es darum ging, einen gütigen Herrscher zu zeigen, kümmerten sich die Librettisten wenig um psychologische Glaubwürdigkeit.

Ähnliches muss sich wohl auch Regisseurin Helen Malkowsky über Mozarts Entführung aus dem Serail gedacht haben, die am Samstag an der Volksoper Premiere hatte. Denn da kommt, nachdem Bassa Selim seinen Gefangenen vergeben und die Freiheit geschenkt hat, sein Aufseher Osmin mit deren blutbefleckten Kleidern wieder und legt sie seinem Herrn zu Füßen, nachdem er zuvor zwar nur Insekten "gespießt und gehangen", aber sich dabei als umtriebiger Sadist entpuppt hatte.

Ansonsten zeigt Malkowsky kaum mehr als eine handwerklich ordentliche, leichte Spieloper. Kommentierende Ideen serviert sie nicht mit dem Holzhammer, sondern so subtil, dass sie womöglich gar nicht so leicht zu entziffern waren. Andererseits gab es so auch keinerlei Widerstand gegen die Regie, wie er bei mehr Deutlichkeit vorprogrammiert wäre. Manches ist auch nicht schlüssig, etwa warum Blonde und Konstanze Doppelgängerinnen haben oder die Weinflaschen per Fernbedienung von der Decke schweben.

Die Zeichnung des Bassa zeigt den Herrscher allerdings konsequent als unbeherrschten Choleriker: Als er am Ende des 2. Aktes Konstanze und Belmonte zusammen sieht, wird er so wütend, dass er die Glasfront seines Palasts zertrümmert, hinter der dann im dritten Akt nur noch Ruinen sichtbar sind (Ausstattung: Bernd Franke).

Gnadenlos kann in der Volksoper auch die Akustik sein, und dies kaum mehr als bei Mozart: Bei Kristiane Kaisers ernster, sympathischer, aber ein wenig blasser Konstanze, stimmlich mutig bewältigt, wurden doch Grenzen an Beweglichkeit deutlich. Mit leichter, fokussierter Stimme gab Andrea Bogner hingegen der Blonde keckes Temperament, mit dem sie auch alle Männer locker an die Wand spielte.

Gehörige orchestrale Schärfe 

Ihr Pendant Karl-Michael Ebner, Einspringer für Cosmin Ifrim, der sich bei der Generalprobe das Knie verletzt hatte, war zwar ein komödiantischer Pedrillo, doch sängerisch matt und tremolierend; Daniel Behle ein nobel und volltönender, wenn auch weder besonders zupackender noch packender Belmonte. Schön böse brodelte immerhin der Osmin von Hausdebütant Gregory Frank, während der Schauspieler August Zirner als Bassa mit Mephistolachen und gedrechselter Sprachkunst artifiziell wirkte.

Die schöne Geste, das Orchester zum Schlussapplaus auf die Bühne zu holen, war diesmal mehr als gerechtfertigt. Denn Dirigent Sascha Goetzel versah mit ihm nicht nur die Janitscharenmusik mit gehöriger Schärfe, sondern machte überall Akzente oder das Eigenleben von Mittelstimmen plastisch. Tempomäßig vielleicht manchmal auf der allzu sicheren Seite, gelangen besonders die kammermusikalischen Passagen. Dass mancher Einsatz nahtloser, der Tuttiklang homogener sein könnte, hätte eine gnädigere Akustik ebenfalls verschleiert. (Daniel Ender / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.6.2010)