Am Mittwoch ist Bloomsday! Der 16. Juni ist jener Tag in Leopold Blooms Leben, den der Jahrhundertroman "Ulysses" erzählt und der von James-Joyce-Fans weltweit als hoher Feiertag begangen wird. Joyce selbst lud schon am 16. Juni 1929 zu einem "déjeuner Ulysses", von dem die nette Anekdote über einen sturzbesoffenen Samuel Beckett überliefert ist, der auf dem Abort abhanden kam und erst am nächsten Tag den Weg zurück nach Paris gefunden haben soll.

Während in Dublin also von Literaturtouristen jährlich Zitronenseife gekauft wird (bei Sweny's natürlich!), versammelt man sich in Northampton auf dem Friedhof. Hier liegt Lucia Joyce begraben, die Tochter des Dichters, deren "Geschichte, die eigentlich nicht erzählt werden sollte", Montag um 21 Uhr auf Ö1 zu hören ist: Lucia Joyce studierte früh modernen Tanz, war in Paris die Geliebte Becketts und lebte ab den Dreißigerjahren mit diagnostizierter Schizophrenie in der Psychiatrie. Grace Yoon versammelt in ihrem vielschichtigen Radioporträt Erinnerungen und findet Lucias Spuren im Werk ihres Vaters. Ihm schreibt Lucia aus der Klinik: "Wenn ich einmal weggehen würde, dann in ein Land, das dir gehört, Babu." Yoon streicht die wechselseitigen Einflüsse zwischen Vater und Tochter hervor.

Insbesondere in Finnegans Wake sei Lucia durchwegs präsent, ihre von der Krankheit geformte instinktive Sprachbegabung komme jener des Vaters entgegen. Beider Begabung habe darin gelegen, Risse in der Logik zu erschaffen und zu verstehen. Die Beschäftigung mit Lucia könnte sich für die stets nach Quellen und Querverweisen suchende Joyce-Gemeinde daher nicht nur am Bloomsday lohnen! (Isabella Pohl/DER STANDARD; Printausgabe, 14.6.2010)