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Eine Vuvuzela macht noch kein Inferno. Die Summe aller Tröten treibt nicht wenige in den Stadien und vor den Fernsehern zur Verzweiflung.

Foto: REUTERS/Brian Snyder

Johannesburg/Wien - Schlicht Vuvu-Stopp heißt derzeit der Verkaufsschlager in Südafrika. Die Ohrenstöpsel, die den infernalischen Lärm der allenthalben geblasenen 30 bis 50 Zentimeter langen Plasiktröten namens Vuvuzela von gesundheitsschädlichen rund 125 auf immer noch peinigende 90 Dezibel reduzieren, gehen weg wie die warmen Semmeln. Sie seien "beim Fußball, Rugby oder gegen die Meckerei der Ehefrau" einsetzbar, steht auf der Verpackung. Leider sind erste Lieferengpässe aufgetreten, während an Vuvuzelas selbst kein Mangel herrscht.

Der noch beim Confed-Cup im Vorjahr als originell empfundene Ausdruck afrikanischer Lebensfreude ist beispielsweise für die Tageszeitung El Observador aus Uruguay "ein neuer Beweis für die unbegrenzte Fähigkeit des Menschen, sich selbst das Leben zur Hölle zu machen". Die spanische El Pais schrieb von den "Trompeten des Teufels".

Deren Ton, zumal mit tausenden multipliziert und ohne Unterbrechung, stört zunächst die Spieler und Trainer. "Fußball ist auch Kommunikation. Es ist schwer, mit deinem Mitspieler zu sprechen bei diesem Krach", sagt Argentiniens Kapitän Javier Mascherano. "Es ist unmöglich, sich mitzuteilen, wenn man wie taub ist", pflichtet Lionel Messi bei. Brasiliens Stürmer Robinho und der deutsche Bundestrainer Joachim Löw sprechen sich deutlich für ein sofortiges Vuvuzela-Verbot in den Stadien aus.

Die TV-Anstalten stellt der Dauerlärm, der je nach Gehör an Elefantenwinde, verzweifeltes Babygeschrei oder Hornissennester gemahne, vor unlösbare Probleme. Die für die WM verantwortliche Produktionsfirma HBS wird von Beschwerden ihrer Kunden überhäuft. ORF-Sportchef Hans-Peter Trost sagt, dass es unmöglich sei, einen sauberen Ton zustande zu bekommen. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz schlägt in dieselbe Kerbe: "Diesen Dauerton kriegen wir nicht weg. Solange Vuvuzelas in allen Stadien sind, lässt sich das nicht verhindern." ZDF und ARD setzen bei ihren Moderatoren sogenannte Lippenmikrofone ein, die etwas weniger von den Außengeräuschen einfangen. Gruschwitz: "Sonst sind uns aber die Hände gebunden, denn wir bekommen ein fertiges Signal. Der einzige Punkt ist, die Tröte zu verbieten."

Blatter schweigt

200.000 selbsternannte Lärmopfer haben in Deutschland eine Onlinepetition unterschrieben. Der Lärm habe mit Fankultur nichts zu tun. Fifa-Präsident Sepp Blatter hat sich zum Thema während der WM noch nicht geäußert, aber schon nach dem Confed-Cup im Vorjahr gemeint, dass ein Verbot der Vuvuzelas einer Diskriminierung gleichkäme. DFB-Präsident Theo Zwanziger empfindet die Tröten "nicht als schlimm oder gar störend". Man müsse sich den afrikanischen Gepflogenheiten anpassen. "Wenn man sich positiv auf diese etwas ungewohnten Geräusche einlässt, kann das sogar ein Spaß sein."

Im Organisationskomitee (OK) ist man sich dessen nach anfänglichem Überschwang - Sprecher Rich Mkhondo: "Jeder liebt die Vuvuzela" - nicht mehr so sicher. "Wenn Vuvuzelas aus Wut auf den Platz geworfen werden, werden wir handeln", sagt OK-Chef Danny Jordaan. Gerüchteweise wird schon diskutiert, wie ein Verbot durchzusetzen sei. Er selbst, sagt Jordaan, sei kein Vuvuzela-Fan. "Ich würde am liebsten alle Fans auffordern zu singen. Das haben wir auch getan, als es darum ging, gegen die Apartheid zu kämpfen. In unserer Geschichte war es stets die Fähigkeit zu singen, die Inspiration für uns war." (DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 14. Juni 2010, sid, lü)