Spieler versuchen ihr Glück an Automaten im Wiener Prater. Wie viele Menschen nicht zum Spaß Geld in die Maschinen werfen, sondern weil sie süchtig sind, darüber gibt es nur Schätzungen.

Foto: Standard/Heribert Corn

Das neue Glücksspielgesetz soll Spielsüchtige besser schützen - doch niemand weiß genau, wie viele Menschen betroffen sind und was ihre Sucht kostet. Die Therapien zahlen derzeit großteils die Kasinos.

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Wien - "Die Lage ist sehr ernst, aber wir haben ein fatales Problem: Wir haben überhaupt keine Zahlen" , sagt Michael Musalek über die Spielsucht in Österreich. Musalek ist Vorstand des Anton-Proksch-Instituts, des größten Drogenrehabilitationszentrums Europas. Er hilft Alkoholikern, Heroinspritzern und Spielsüchtigen - und Letztere werden immer mehr.

"Aus meiner Erfahrung wird das Problem bei jungen Menschen größer. Nur leider gibt es keine repräsentative Untersuchung." Warum? "Weil niemand solche Studien finanziert." Die erste große geplante Studie zur Spielsucht wurde vom Gesundheitsministerium vor einigen Wochen wieder abgesagt. Musalek verhandelt nun mit neuen Geldgebern - unter anderem mit Glücksspielkonzernen.

Derzeit gibt es nur Schätzungen darüber, wie viele Menschen spielsüchtig sind: Zwischen 60.000 und 160.000 Menschen könnten in Österreich betroffen sein. Auch zu den Kosten gibt es nur vereinzelt Zahlen: Wissenschafter des Joanneums Graz errechneten, dass die Steiermark jährlich bis zu 1,8 Millionen Euro zahlt - für Polizisten, Richter und Bewährungshelfer, die sich um die kümmern, die stehlen, um ihre Sucht zu finanzieren. Die Therapie kostet hingegen "nur" 140.000 Euro. 88 Prozent derjenigen, die aufgrund ihrer Sucht kriminell wurden, spielten vor allem an Spielautomaten. In Wien, wo die meisten Automaten stehen, gibt es zu den Folgekosten keine Zahlen.

Trotz Sponsorings fehlt Geld

Die Therapie der Spielsüchtigen zahlt derzeit größtenteils die Glücksspielindustrie: Die Casinos Austria spenden 700.000 Euro pro Jahr, Novomatic, der größte Betreiber von Spielautomaten des "kleinen Glücksspiels" , zahlt ebenfalls, nannte aber auf Anfrage keine Zahlen. Auch die Spielerhilfe Wien wird hauptsächlich von den beiden finanziert. Trotzdem reicht das Geld nicht: "Wir mussten im Vorjahr 160 Leute wieder heimschicken, weil wir keine Kapazitäten mehr haben" , sagt Geschäftsführerin Izabela Horodecki. Die Stadt Wien wollte den Verein bisher nicht fördern.

Der Bund verdient am Glücksspiel jährlich 450 Millionen Euro. Wien, Niederösterreich, die Steiermark und Kärnten, die Spielautomaten mit Einsatz- und Gewinnlimits auch außerhalb des staatlichen Monopols erlauben, nehmen damit jährlich etwa 110 Millionen Euro ein. Eine einheitliche Regelung zum Spielerschutz oder darüber, wie dieses Geld verwendet werden muss, gibt es nicht. Das neue Gesetz soll das nun ändern.

Künftig soll in Automatensalons das Alter der Spieler strenger und nach einheitlichen Regeln kontrolliert werden. Es soll festgelegt werden, wie viel Bund und Länder jeweils für Spielerschutz und -hilfe bezahlen; und Automatenbetreiber sollen ein Promille ihrer Einnahmen an das Finanzministerium für den Spielerschutz abführen.

Derzeit sind in Niederösterreich, der Steiermark und Kärnten zwischen 70 und 100 Prozent der Einnahmen aus dem kleinen Glücksspiel zweckgebunden: für Sozialarbeiter, Suchttherapeuten oder die Drogenprävention. In Wien gibt es eine solche Regelung nicht.

Musalek sieht keinen Interessenkonflikt, wenn Unternehmen, die vom Glücksspiel profitieren, Spielerschutz fördern: "Das zeigt, dass es zumindest ein Problembewusstsein gibt" , sagt er. Auch die Homepage www.spieler-info.at soll Spielsüchtigen helfen. Sie wird betrieben von einem Tochterunternehmen der Profi PR Public Relations & Lobbying Gmbh, die auch für Glückspiel Lobbying betreibt. Auf deren Homepage wird der Schriftsteller Friedrich Sieburg zitiert: "Solange der Mensch spielt, ist er frei." (Tobias Müller, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.6.2010)