"Ich kämpfe immer mit Themen, die mir andere einbrocken, und der politische Mitbewerber bekommt laufend Elfmeter aufgelegt" , poltert Franz Voves in Richtung Wien.

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Die Aussichten auf die Landtagswahl seien nicht rosig, die Querschüsse aus der Bundespartei machten ihm das Leben schwer, klagt der steirische Landeshauptmann Franz Voves im Gespräch mit Walter Müller.

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Standard: Als Sie vor einem Jahr auszogen, um - verkürzt gesagt - eine "Reichensteuer" zu fordern, wurden Sie von der Wiener Parteizentrale ganz schön gerupft. Jetzt hat sich Parteichef und Kanzler Werner Faymann selbst zum "Robin Hood vom Wienerwald" ausgerufen. Ärgert Sie das?

Voves: Nein, überhaupt nicht. Ich bin glücklich, dass die SPÖ jetzt auf dem richtigen Weg ist. Ich versteh nur nicht, warum wir dazu ein ganzes Jahr gebraucht haben. Wir hätten schon viel früher deutlich machen sollen, dass wir klar hinter der Arbeitnehmerschaft stehen, dass wir die Krisenverursacher zur Kasse bieten und die Märkte reglementieren müssen. Wichtig ist jetzt nicht, was wir am Parteitag beschließen, sondern mit welchem Druck wir das Beschlossene dann im Herbst bei den Budgetverhandlungen durchsetzen. Das wird die Nagelprobe für die SPÖ, wie glaubwürdig wir sind. Dass ich recht hatte, ist mir sowas von wurscht. Ich kann nur bis heute nicht verstehen, warum wir vor einem Jahr noch nicht reif waren, gerade als unsere Kernklientel genau diese Positionierung von uns erwartet hatte.

Standard: Mit ein Grund, warum die SPÖ auch in der Steiermark nicht hochkommt?

Voves: In der Obersteiermark, in der Industrieregion, gingen zuletzt 30 Prozent unseres Klientels nicht mehr zur Wahl. Und das hat sicher mit dieser allgemeiner Stimmung zur Sozialdemokratie zu tun. Es hat sich dort oben auch vieles verändert. Die Arbeiter waren gewohnt, dass eine SPÖ ihren Arbeitsplatz mitbeeinflussen konnten. Diese Zeiten sind vorbei, die Partei muss sich jetzt gegenüber ihrem Kernklientel völlig neu positionieren.

Standard: Vor diesem Hintergrund: Wie schätzten Sie jetzt, dreieinhalb Monate vor der Landtagswahl, Ihre Chancen ein, wieder Landeshauptmann zu werden ?

Voves: Fifty-fifty. Wir haben zur Zeit eben, wie erwähnt, in den Industriestädten der Obersteiermark Probleme. Da gilt es noch viel aufzuholen.

Standard: Sind Ihre ehemaligen Wähler im Wartesaal oder schon zur FPÖ geswitcht?

Voves: Die, die arbeitslos geworden sind, wählen zum Glück nicht mehr in dieser Stärke als Protest die FPÖ. Sie wählen aber auch nicht mehr SPÖ, das heißt, sie gehen überhaupt nicht mehr zur Wahl. Sie haben den Glauben an die Politik aufgegeben. Im Ballungsraum Graz aber liegen wir drei bis fünf Prozentpunkte vorn. Unsere Probleme sind die Kernbereiche der Vergangenheit, weil dort die Bindung zur SPÖ weg ist. Und genau in dieser Phase habe ich die Landtagswahl zu schlagen.

Standard: Man hat nicht unbedingt den Eindruck, dass Sie von Ihrer Bundespartei auf dem Weg in diese Wahl groß unterstützt werden. Ministerin Doris Bures stellte plötzlich das wichtigste Infrastrukturprojekt der Steiermark, die Koralmbahn, infrage. Und dann kam aus der SPÖ die Idee, alle kleinen Spitäler zu sperren, was vor allem die Steiermark träfe. Was hat die Bundes-SPÖ gegen sie?

Voves: Solche Hilfestellungen von einzelnen Bundespolitikern sind wirklich entbehrlich. Diese Kardinalfehler Einzelner überlagern die wirklich großartige Hilfestellung meiner Bundesverantwortlichen. Wir haben Milliarden ins Land bekommen. Und einzelne Personen in der Partei machen unter Umständen diese ganze Arbeit kaputt. Eine Geschäftsführerin Laura Rudas etwa oder ein Herr Schieder (SPÖ-Staatssekretär, Anm.) können offensichtlich aus Wiener Sicht nicht verstehen, was Gesundheitsversorgung in einer Region wie Mürzzuschlag oder Feldbach, mit Entfernungen, wie man sie in Wien nicht kennt, bedeutet. Wenn man das umsetzen würde, was da jetzt groß gefordert wurde, bist du mit einem Herzinfarkt siebenmal gestorben, ehe du in ein Krankenhaus kommst. Wie kann man so dumm sein und Wiener Gegebenheiten auf eine weitläufige regionale Bundeslandsituation umlegen? Mit solchen Kindereien und politisch taktischen Kardinalfehlern bin ich dauernd konfrontiert und muss sie dann jedes Mal reparieren. Ich hab es langsam satt, immer nur Reparaturarbeit leisten zu müssen, und der politische Mitbewerber bekommt laufend Elfmeter aufgelegt. Ich kämpfe immer nur mit Themen, die mir andere einbrocken.

Standard: Sie stehen - abseits dieser internen Reibereien - seit 2005 auch unter Dauerkritik Ihres Regierungspartners ÖVP. Medial haben Sie mit der "Kronen Zeitung" einen erbitterten Gegner. Haben Sie sich schon mal gedacht, mir reicht's, das tu ich mir nicht mehr an?

Voves: Ich bin ein alter Sportler. Ich hab gewinnen gelernt, und ich weiß, dass es Niederlagen gibt. Aber ich bin keiner, der aus der Verantwortung flüchtet. Schon gar nicht, wenn das Visavis Hermann Schützenhöfer heißt.

Standard: Sie bleiben also nach der Wahl in der Regierung, auch wenn Sie Zweiter werden?

Voves: Nein. Wenn wir nicht die relative Stimmenmehrheit haben, werde ich aus der Politik ausscheiden. Denn, was passiert dann in einer Partei? Dann fangen interne Diskussionen an. Ich hätte dann mein Wahlziel nicht erreicht, dann mache ich Platz. Damit beschäftige ich mich aber nicht wirklich. Ich beantworte nur ihre Frage. Ich möchte vielmehr die Steiermark weiter öffnen, moderner machen und Luft ins Land lassen. Und keine Klientelpolitik wie früher mehr zulassen.

Standard: Aber genau hier wirft Ihnen die ÖVP ja vor, das Land rot umgefärbt zu haben?

Voves: Dazu eine kleine statistische Zahl: Bei den leitenden Beamten im Land steht es 15 ÖVP zu acht SPÖ. Mir kann höchstens die eigene Partei vorwerfen, dass ich nicht umgefärbt habe. ÖVP-Chef Schützenhöfer hat auf der anderen Seite in seinem Bereich Leute auf die Straße gesetzt, weil sie SPÖ-nahe waren, er hat hunderttausende Euro Abfertigungen aus Steuergeldern nachgeschmissen.

Standard: Hermann Schützenhöfer sagt aber andererseits auch, nach der Wahl sollten SPÖ und ÖVP wieder zusammenarbeiten?

Voves: Ja schon, aber ohne Schützenhöfer.

Standard: Also mit VP-Landeshauptmann-Vize Schützenhöfer geht's nicht mehr oder wie?

Voves: Das macht doch keinen Sinn mehr. Er kann nicht fünf Jahre eine solche destruktive Politikstimmung leben und dann glaubwürdig verbreiten wollen, jetzt auf einmal ist er für Zusammenarbeit. Mit der ÖVP ohne Schützenhöfer werden wir mit Sicherheit die Diskussion führen. Diese Scheinheiligkeit, dieses Oberlehrerhafte ist es andererseits, das mich so motiviert, die Wahl zu gewinnen. In der ÖVP glaubt man ja, ich bin nur ein Betriebsunfall der Geschichte. In einer steirischen Politik, in der die Herren Schützenhöfer und Drexler (Christopher, VP-Klubchef, Anm.) den Ton angeben, wo es nur noch um Trachten und Gestriges geht, hätte ich ohnehin nichts mehr verloren.(Walter Müller/DER STANDARD, 12.6.2010)