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Sushi, der selbstverständliche Imbiss beim "Japaner".

"Der Mensch hält ja grundsätzlich sehr viel aus, aber ich persönlich esse kein Sushi oder Sashimi in Österreich. Da hat der Fisch zu viele Kilometer auf dem Buckel." (Andreas Schmölzer, Ernährungswissenschaftler, Sachverständiger für Lebensmittelhygiene und Vorstandsmitglied des VEÖ)

Foto: Andreas Schmölzer

"Wer bei der Sushi-Wahl den nachhaltigen Fischbestand berücksichtigen möchte, verzichtet besser auf Tunfisch, Heilbutt, Schwertfisch und Aal." (Sabine Bisovsky vom VEÖ)

Foto: Sabine Bisovsky

"Die Jodmenge in Algen liegt oft 20-fach über der maximalen, täglich tolerierbaren Aufnahmemenge." (Karl-Heinz Wagner, VEÖ und Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien)

Foto: Karl-Heinz Wagner

Das Schriftzeichen "Shoku", Japanisch für "Essen", setzt sich aus den Zeichen für "Mensch" und "gut machen" zusammen. Frische Zutaten, abwechslungsreiche Kreationen und eine kunstvolle optische Gestaltung machen die original japanische Küche aus. Seit einigen Jahren gilt sie als das Nonplusultra für bewusste Ernährung.

Authentisch japanisch?

Die Zahl japanischer Restaurants und Imbisse steigt in den österreichischen Städten und mittlerweile auch in der Provinz konstant. Dabei weisen viele sogenannte "Japaner" weder japanische Eigentümer, Köche noch Bedienung auf. Auch Speisekarte und Zutaten haben oft nur peripher mit Japan zu tun, so findet sich Sushi neben koreanischem Schweinefleisch. Diese und weitere globale Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass der japanische Agrarminister 2007 einen Rat zur offiziellen Zertifizierung japanischer Restaurants im Ausland einberief. Mit dem Ergebnis, dass das "Japanese Restaurant Recommendation Program" auf eine Definition der japanischen Küche verzichtet. Bezüglich der Globalisierung des japanischen Geschmacks geht das Programm auf Begriffe wie "hybride Küche", "Wandlungsfähigkeit" und "Anpassung" ein.

Grundlegende Zutaten

Von jeher hat Japan fremde kulinarische Einflüsse in seine Landesküche integriert. Von Tempura über den Kuchen Kasutera bis zu Lebensmitteln wie Süßkartoffeln, Mais oder Pfefferschoten reicht allein der portugiesische Einfluss. Das japanische Grundnahrungsmittel ist Reis. Auch Fisch und Meeresfrüchte spielen eine tragende Rolle, ersterer vor allem in roher Form. Sauer eingelegte Gemüse, "Tsukemono", in Form von gelben Rüben, grünen "Ume"-Pflaumen, Chinakohl oder Gurken wird zu den meisten Mahlzeiten genossen. Gewürze und Öl kommen sparsam zum Einsatz, der Eigengeschmack der Lebensmittel soll in der ursprünglichen Form erhalten bleiben. Der Verzehr von Fleisch und Milchprodukten war einige hundert Jahre lang aufgrund der Vorschriften des im Jahr 552 zur Staatsreligion erklärten Buddhismus weitgehend tabu, mit Ausnahme von Fisch, Wild und Wal, der den Fischen zugeordnet wurde.

Kein roher Fisch für exponierte Gruppen

Seit der Edo-Periode (1603-1868) bereiten japanische Köche rohen Fisch als Sushi und Sashimi zu. Als Hülle werden Nori-Algen bevorzugt. Omega3-Fettsäuren, hochwertiges Eiweiß und ausgewogen zusammengesetzte Aminosäuren... Ernährungswissenschaftler raten ein bis zwei Mal pro Woche zum Verzehr von Fisch, aber "roher Fisch ist ein Risiko und für exponierte Gruppen wie Schwangere, Kinder, Immunsupprimierte und ältere Menschen abzulehnen", weiß Andreas Schmölzer, Ernährungswissenschaftler, Sachverständiger für Lebensmittelhygiene und Vorstandsmitglied des VEÖ (Verein Verband der Ernährungswissenschaftler Österreichs).

Listerien

Schmölzer warnt vor allem vor Listerienerkrankungen. Obwohl in Österreich Meldepflicht herrscht und die Statistik Austria und die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) gute Daten lieferten, sei der Sachverhalt schwer festzustellen, da sich Listerien in Lebensmitteln erst nach ein bis zwei Wochen nachweisen lassen. "Da ist der ursprünglich beprobte, frische Fisch schon längst gegessen und verdaut." Darüber hinaus äußere sich eine Listerieninfektion im Schnitt erst nach drei Wochen, weshalb sie oft nicht mehr mit dem Gegessenen in Verbindung gebracht werde. "Erschwerend kommt hinzu, dass grippeähnliche Symptome wie Fieber und Gliederschmerzen auftreten. Durchfall muss nicht immer sein", weiß der Ernährungsexperte. Da Listerieninfektionen zu über 20 Prozent tödlich verlaufen, dürfe man nicht sorglos damit umgehen.

Parasiten und Viren

Ein weiteres Risiko im Zusammenhang mit rohem Fisch liegt laut Schmölzer in Parasiten: "Nicht Salmonellen, sondern Fischspulwürmer sind das Hauptthema." Diese kämen besonders häufig in Lachs und Makrele vor und seien zuweilen tödlich für den Menschen. Weshalb nach einer EU-weiten Verordnung jeder Fisch auf Parasiten kontrolliert und für den rohen Verzehr 24 Stunden lang bei Minus 20°Celsius tiefgefroren werden muss. Hier komme es auf die Sorgfalt des Fischhändlers und Lokalbetreibers an, erklärt der Ernährungswissenschaftler: "Das funktioniert auch zum Großteil und gute Betriebe machen das vor den Augen ihrer Kunden." Virale Erkrankungen wie Hepatitis sind bei Fisch laut Schmölzer eher die Ausnahme, kommen aber vereinzelt in den südlicheren Breitenkreisen vor. "Wenn man den Fisch durchgart, sind sie mit Sicherheit tot."

Schwermetalle und Dosenfisch

Schwermetalle spielen in Österreich aufgrund des niedrigen Fischkonsums zwar keine große Rolle, berichtet der Ernährungswissenschaftler, dennoch seien Fische aus Japan, die für die authentische japanische Sushi-Küche verwendet werden, aufgrund der massiven japanischen Schwerindustrie mit Quecksilber und Blei belastet. "Evidenzen auf Schwermetalle treten auch bei Thunfisch, Heilbutt oder Hecht, also generell bei eher fetten Fischen, auf. Vor allem bei Schwertfisch gab es 2009 EU-weit 37 Warnmeldungen."

Risiken bedenken

Im kulinarischen Trend der Zubereitung von Sushi und Sashimi aus einheimischen Fischen sieht Schmölzer keine Alternative. "Im Alpenwasser finden sich zwar weder Hepatitisviren noch Fischbandwürmer, Listerien könnten aber auch hier auftreten." Trotz aller Warnungen empfiehlt der Experte mit Freude und nicht mit Angst zu essen, dabei aber die Risiken im Auge zu haben. "Bei Dosen- oder Tiefkühlfisch besteht aufgrund der strengen Kontrollen bei der Verarbeitung und der Reaktionsmöglichkeit während der langen Haltbarkeit ein geringes Risiko. Deshalb gilt für Fisch die Devise: Frisch ist nicht immer besser als verarbeitet."

Fisch in Gefahr

Neben möglichen Gesundheitsrisiken gilt es beim Konsum von Fisch auch die ökologische Perspektive zu bedenken: "Wer bei der Sushi-Wahl den nachhaltigen Fischbestand berücksichtigen möchte, verzichtet besser auf Tunfisch, Heilbutt, Schwertfisch und Aal", empfiehlt Sabine Bisovsky vom VEÖ. Ganz besonders vom Aussterben bedroht seien die Arten Roter Tun und Blauflossentun. Bisovsky empfiehlt, nachzufragen, ob Fisch mit dem blauen MSC-Gütesiegel verwendet wird und sich dieses auch zeigen zu lassen. "Je mehr Konsumenten danach fragen, desto eher wird vielleicht von Anbietern in Restaurants und im Handel in Hinkunft darauf geachtet."

Jodreiche Algen

Abgesehen von rohem Fisch sind Algen ein fixer Bestandteil der japanischen Küche. Doch die Algen in Maki und Misosuppe können Jod in hohen Mengen enthalten, weiß Karl-Heinz Wagner vom VEÖ und Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien. "Die Jodmenge liegt oft 20-fach über der maximalen, täglich tolerierbaren Aufnahmemenge." Auf Algenprodukte mit mehr als 20mg Jod/kg Trockengewicht sollte daher verzichtet werden und "wer Algen liebt, sollte nur Produkte mit entsprechender Angabe des Jodgehalts kaufen", empfiehlt Wagner, was beim Auswärtsessen nicht durchführbar ist.

Miso, Tofu, Grüner Tee

Die traditionelle japanische Frühstücks- oder Vorspeisensuppe enthält als Basis Miso und eine Einlage aus Jungzwiebel, Algen und Tofu. Die meist aus Soja hergestellte Paste ist in hellen, dunklen, süßen oder salzigen Varianten erhältlich. "In Gesellschaften mit einer hohen Aufnahme an Soja gibt es ein geringeres Brustkrebsrisiko", berichtet Karl-Heinz Wagner. In nicht asiatischen Gesellschaften sei die Sojaaufnahme allerdings generell zu gering, um im Vergleich Unterschiede beziehungsweise einen Schutz ausmachen zu können. Gleiches gelte für den grünen Tee, allerdings, so Wagner, mit einer nicht so starken Evidenz wie bei Soja. Grüner Tee enthält sekundäre Pflanzenstoffe, allen voran Catechine, denen die meisten gesundheitsfördernden Eigenschaften zugesprochen werden wie die Fähigkeit, freie Radikale abzufangen. Catechine machen aber auch den bitteren Geschmack im Grüntee aus. Wagner: "Die positiven Wirkungen überwiegen übrigens nur, wenn der Tee ungesüßt getrunken wird." (tin, derStandard.at, 14. Juni 2010)