Wien - Zum ersten Mal fanden am Mittwochabend im Oratorium der Nationalbibliothek die vom 'Standard' gemeinsam mit der Österreichischen Nationalbibliothek organisierten "Archivgespräche" statt.
Zum Thema "Autoren und Archive" diskutierten Robert Schindel, Margit Schreiner, Doron Rabinovici und der Leiter des Robert Musil-Instituts in Klagenfurt, Klaus Amann, über Vor- und Nachlässe, die damit vermeintlich verbundene Auf- oder Abwertung von Autoren, Kanonisierungsfragen und die Entauratisierung des Schriftstellers, die mit der Weitergabe von sehr persönlichem Material verbunden sein kann.
Das Thema erwies sich, vor allem durch die humorvollen Statements der Autoren und die ruhigen, anschaulichen Schilderungen aus der Praxis von Klaus Amann, als weniger sperrig als erwartet - oder befürchtet.
Amann wies, wie auch der Leiter des Literaturarchivs der Nationalbibliothek, Bernhard Fetz, auf die Wichtigkeit der Lichtungs- und Sichtungsarbeit der Archive hin, pflichtete hingegen Robert Schindel bei, dass die Preistreiberei - ausgelöst durch die zum Teil um Vorlässe konkurrierenden Institutionen - gerade in budgetär schwierigen Zeiten an ihre Grenzen stoße.
Margit Schreiner, deren Vorlass wie der Robert Schindels in der Nationalbibliothek liegt, schilderte ihre anfänglichen Skrupel und Rabinovici verwies darauf, dass Literatur immer auch ein Spiel mit Masken sei und sich Autoren nur ungern in die - privaten - Karten schauen ließen.
Wilhelm Dilthey schreib einst in seinem Aufsatz "Archive für Literatur", es sei unabdingbar, Entwürfe zu sammeln, zu erhalten und anzuordnen, damit diese neben den "kühl dastehenden" Druckwerken zu einem "wärmeren" Verständnis des Werkes beitragen. Er scheint recht zu haben. (red / DER STANDARD, Printausgabe, 11.6.2010)