"They are always different, they are always the same." So beschrieb der 2004 zu früh verstorbene britische Radio-DJ John Peel seine liebste Band, The Fall. Immer anders, immer gleich, das gilt auch für Bob Dylan, der, gerade 69 geworden, am Mittwochabend in der Incheba Expo Arena von Bratislava gastierte. In einem gemütlichen 2000er-Saal, in dem er mit weichen Knien und Leopard-Skin Pill-Box Hat aus dem 1966er-Album "Blonde On Blonde" eröffnete.

Die Band in mausgrauen Anzügen und dunklen Hüten, "His Bobness" im schwarzen Anzug mit gelbem Rallyestreifen und südamerikanischem Großgrundbesitzerhut. So viel Unterschied muss sein. Das Sextett wirkte im ersten Drittel des Konzerts wie eine behäbige High-School-Reunion-Band beim Covern der Songs von damals.

Dylan, die vielleicht größte Projektionsfläche der Popkultur, die sich dieser Zuschreibung konsequent entzieht und sie damit natürlich nährt, grummelte sich launig durch ein tiefes "It Ain't Me Babe", ein verwegenes "Absolutely Sweet Marie", provozierte mit "Just Like A Woman" nicht wirklich erlauchte Brüllgesänge am oberen Rang des Saals und tingelte zwischen Gitarre und Orgel.

Spiderman Dylan

Das war nicht besonders aufregend. Der Bassist knotzte auf seinem Barhocker, wechselte ab und an vom elektrischen zum Stehbass - ohne sich deshalb zu erheben, und Dylan war Dylan: ein bisserl Blasharmonica, bisserl schauen, ob die Orgel heute kitzelig, verstimmt oder angriffslustig ist, spinnenartige Bewegungen beim Gitarrespielen. Den Rest der Show bestritt Charlie Sexton, der ein wenig zu oft Bodennähe suchte. Sein In-die-Knie-Gehen erschien etwas dick aufgetragen, so emotional war sein Spiel weiß Gott nicht.

Ausgerechnet beim relativ doofen "Tweedle Dee & Tweedle Dum", der Eröffnungsnummer des "Love and Theft"-Albums aus dem Jahr 2001, für das Dylan wieder zur Gitarre griff und sein linkes Bein zu einem Slow Twist verdonnerte, kam das Konzert in Fahrt. Die Altherrenpartie, die bis dahin auf dem abgefederten Rhythmusspiel des Schlagzeugers gemütlich herumdruckste, schien es plötzlich wissen zu wollen.

Zwar nahm Dylan mit "Man In The Long Black Coat" die Geschwindigkeit aus dem Spiel, aber er schien Gefallen an seinen Tun gefunden zu haben. Dröhnend sichtete er den "Highway 61", Sexton kniete, Dylan deutete Kopulation mit seinem Keyboard an. Leute, man ist nur einmal 69!

Im Unterschied zu Langeweilern wie Eric Clapton, die jeden Abend dieselben blutleeren Songs mit denselben Elendssoli in die Zwangsehe schicken - wie Anfang der Woche in der Wiener Stadthalle -, vermag Dylan nachvollziehbar und infizierend Spaß zu haben. Dementsprechend erhob sich der Saal und stürmte zur Bühne. Dylan nahm den Zuspruch als Auftrag und belohnte ihn mit grandiosen Deutungen von "Ballad Of A Thin Man" oder "Thunder On The Mountain".

Vieldeutige Grimassen

Er alberte an der Orgel rum, atmete beherzt durch die Harmonica und schnitt jene Grimassen, aus denen gemeine Dylanologen ihren Auftrag zur tiefenpsychologischen Deutung ablesen. Im Zugabenblock legte der "Columbia Recording Artist" euphorisch nach, ließ den Saal sich wie ein "Rolling Stone" fühlen, besang "Jolene" und beendete mit "All Along The Watchtower" den Abend. Nachgerade herzlich empfing er den Applaus, rückte seinen Hut zurecht und entschwand. Der Weg hat sich wieder einmal gelohnt.

Für alle.
(Karl Fluch aus Bratislava / DER STANDARD, Printausgabe, 11.6.2010)