David Grossman

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Berlin/Frankfurt/Main - Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2010 geht an den israelischen Schriftsteller und Journalisten David Grossman, gab der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Auftakt der Buchtage Berlin am Donnerstag bekannt. Der 56-Jährige setze sich aktiv für die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern ein, heißt es in der Begründung des Stiftungsrats des Friedenspreises. "In seinen Romanen, Essays und Erzählungen versucht er, nicht nur die eigene, sondern immer auch die Haltung der jeweils Andersdenkenden zu verstehen und zu beschreiben." Er "gibt dem schwierigen Zusammenleben eine literarische Stimme, die in der Welt gehört wird".

"Seine Bücher zeigen, dass die Spirale von Gewalt, Hass und Vertreibung im Nahen Osten nur durch Zuhören, Zurückhaltung und die Kraft des Wortes beendet werden kann", so die Begründung. In seinem Hauptwerk "Eine Frau flieht vor einer Nachricht" zeige Grossman die Bedeutung der Sprache für die Suche nach Identität und warne vor ihrer zunehmenden Militarisierung. "So bietet er inmitten einer Realität von Willkür, Zwang und Entfremdung Auswege aus dem jetzigen Zustand der Gesellschaft, die sich zwischen Krieg und Frieden befindet."

Grossman setze sich in seinem in mehr als 30 Sprachen übersetztem Werk vor allem mit der Identität Israels und dem israelisch- palästinensischen Konflikt auseinander. Er beteiligt sich aber auch aktiv an der politischen Debatte um eine friedliche Lösung im Nahen Osten. Ein Sohn von ihm starb im Libanon-Krieg. Der verheiratete zweifache Familienvater, der in einem Vorort von Jerusalem lebt, ist für sein schriftstellerisches Werk bereits mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Geschwister Scholl Preis.

Positive Reaktionen

Der Vorsitzende der deutschen SPD-Bundestagsfraktion und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einer "hervorragenden Wahl, die genau zur richtigen Zeit kommt". "Nach den jüngsten Zuspitzungen im Nahen Osten brauchen wir dringend Stimmen wie seine", heißt es in Steinmeiers Mitteilung. "Seit Jahrzehnten deckt David Grossman in seinem Werk die tieferen menschlichen Erschütterungen des Nahost- Konflikts auf. Er lehrt uns Aufmerksamkeit, Genauigkeit und Vorsicht im Urteil." Indem er den Blick auf beide Seiten lenke, baue er "eine Brücke des Verstehens, die jedem wirklichen Frieden vorangehen muss".

Grünen-Chefin Claudia Roth würdigte Grossman ebenfalls als "Brückenbauer des Friedens". Dabei spare er aber nicht mit Kritik an den Scharfmachern. Zudem kenne er den Scherz und die Trauer der Menschen, deren Hoffnungen in der Spirale der Gewalt unterzugehen drohten, weil sein eigener Sohn als Soldat im Nahost-Konflikt ums Leben kam.

Der Chef des Münchner Hanser Verlags, Michael Krüger, hob hervor, dass ein israelischer Autor geehrt werde, "der sowohl in seinem grandiosen literarischen Werk wie in seinen politischen Stellungnahmen eine Welt beschreibt, die sich nach Frieden sehnt. Wir hoffen natürlich, dass diese Auszeichnung dazu führt, dass die Probleme im Nahen Osten auf friedliche Weise gelöst werden können." Hanser hat mehrere Werke Grossmans auf Deutsch herausgebracht.

Verleihung in der Paulskirche

Der seit 1950 vergebene Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen des Landes. Geehrt wird damit eine Persönlichkeit aus dem In- oder Ausland, die vor allem auf den Gebieten Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat. Verliehen wird der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreivom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem Dachverband der deutschen Buchbranche. Überreicht wird der Preis zum Ende der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche, wo 1848 die für die demokratische Entwicklung Deutschlands bedeutende Nationalversammlung tagte.

Die Preisträger werden von einem Stiftungsrat mit einfacher Mehrheit gewählt. Der Rat setzt sich aus Mitgliedern des Börsenvereins sowie Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft zusammen. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Albert Schweitzer (1951), Hermann Hesse (1955), Astrid Lindgren (1978), Siegfried Lenz (1988) und Vaclav Havel (1989).

Um Preisverleihungen hat es wiederholt Auseinandersetzungen gegeben. So war 1995 das Votum für die Orientalistin Annemarie Schimmel umstritten, der Kritiker mangelnde Distanz zu fundamentalistischen Positionen des Islams vorwarfen. Eine Kontroverse löste als Laudator Günter Grass aus, als er 1997 in seiner Rede auf den türkischen Preisträger Yasar Kemal die deutsche Kurdenpolitik kritisierte. 1998 entbrannte nach der Rede des Preisträgers Martin Walser eine monatelange Diskussion über den Umgang mit der NS-Vergangenheit in Deutschland. (APA)