Lateinisch beschriebener Papyrus aus der Zeit von 5 bis 2 vor unserer Zeitrechnung - es handelt sich um eine Mitteilung über üble Nachrede.

Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Wien - Am Mittwochabend wurde im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek eine Ausstellung mit dem Titel "Stimmen aus dem Wüstensand. Briefkultur im griechisch-römischen Ägypten" eröffnet. Bis 15. Jänner 2011 geben Exponate, die vom 9. Jahrhundert bis ins 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zurückreichen, Einblicke in die privaten Nöte der damaligen Menschen.

"In den Privatbriefen sprechen einfache Menschen einer längst vergangenen Epoche mit ihren Gedanken und Sorgen in menschlich berührender Form zu uns", erklärte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Eröffnung. In ihrer Unmittelbarkeit seien diese Papyri "authentische Stimmen aus der Vergangenheit". Die Briefe aus allen Bevölkerungsschichten böten inhaltlich erstaunliche Ähnlichkeiten mit den heutigen Formen der Korrespondenz. "Sie schildern uns alltägliche Sorgen, Probleme und Sehnsüchte", erläuterte Rachinger. Aber auch die amtliche Korrespondenz komme bei der Ausstellung zu Wort. Im Schriftverkehr zwischen Amtsträgern, Verwaltungsbehörden und Bevölkerung würden sich Herrschaftstil und Verwaltungsstrukturen der Epoche manifestieren.

Ehestreit und Dattelpalme

"Unter anderem findet sich in der Ausstellung eine Mitteilung in lateinischer Sprache über üble Nachrede, die wahrscheinlich aus dem Soldatenmilieu zwischen dem 5. und 2. Jahr vor Christi stammt", schilderte Bernhard Palme, Direktor der Papyrussammlung und des Papyrusmuseums. Andere Highlights seien ein vorwurfsvoller Brief einer Ehefrau an ihren Gatten aus arabischer Zeit, ein Schreiben über den widerrechtlichen Anbau einer Dattelpalme oder ein Brief eines Steuereintreibers. "Die Ausstellung hat sich zum Ziel gesetzt, mit insgesamt 70 Exponaten eine repräsentative Auswahl zu erstellen", erläuterte Palme. Neben griechischen und lateinischen Briefen würden koptische und arabische Schriftstücke die "multilinguale Kultur" des antiken Ägyptens verdeutlichen.

Der Titel "Stimmen aus dem Wüstensand" verweise auf die Fundorte der Papyri. "Denn die Briefe haben nur unter den Bedingungen eines trockenen Wüstenklimas die Zeit unbeschadet überdauern können", erklärte Palme. Bei der damaligen Schreibtechnik wurde eine Rohrfeder und Rußtinte verwendet. Zusätzlich wurde Akaziensaft beigegeben, um die Tinte nach der Trocknung wasserfest zu machen. Papyrus sei in dieser Epoche ein universell genutztes Kommunikationsmittel gewesen. Die Briefe, die zum größten Teil datiert seien, wurden wahrscheinlich mehrheitlich von Berufsschreibern zu Papyrus gebracht. "Diese haben aber wohl niedergeschrieben, was ihnen diktiert wurde", sagte der Direktor. Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass sie in irgendeiner Weise abgeändert worden seien. (APA/red)