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Die sogenannten Meridiane, die laut Akupunktur-Lehre den ganzen Körper durchziehen, seien wissenschaftlich nicht nachzuweisen, dennoch zweifle kaum jemand an der prinzipiellen Wirksamkeit der Akupunktur.

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Wien  - Psychotherapien und chinesische Medizin "aus dem schillernden Bereich der Esoterik herauszunehmen" - dieses Ziel haben sich die Organisatoren des Kongresses "Shen - Interculturality and Psychotherapy" gesetzt, der von 10. bis 14. Juni von der Universität Wien in Zusammenarbeit mit der Sigmund Freud Privat Universität Wien organisiert wird. Es gehe darum, andere Denkweisen und Methoden der Überprüfbarkeit als jene der westlich geprägten Wissenschaft zu finden, betonten die Organisatoren.

"Falsche Methoden"

Nicht nur die chinesische Medizin, auch Psychotherapien hätten "traditionell ein Problem mit der westlichen Wissenschaft", erklärte dazu Kongressleiter Friedrich Wallner vom Institut für Philosophie der Uni Wien. "Es werden Millionen ausgegeben, um diese Therapien zu überprüfen, aber es kommt nichts dabei raus. Es ist fast durchwegs nicht zu beweisen, dass sie wirken", so Wallner. Auf der anderen Seite würden sowohl Psychotherapien wie auch chinesische Medizin erfolgreich angewandt. Der Wissenschafter geht daher davon aus, dass die westliche Wissenschaft zur Überprüfung anderer Disziplinen "einfach die falschen Methoden" anwendet. "Wir brauchen dafür eine andere Form des Denkens", so Wallner.

"Die westliche Medizin geht davon aus, dass im Falle einer Krankheit die Ursache gefunden werden muss, der Krankheitsherd ist lokal zu entfernen", erklärte Kongressorganisator Franz Taumberger (Uni Wien). Die Ansätze zum Verstehen in der chinesischen Medizin wie auch in der Psychotherapie seien dagegen eher "systemtheoretischer, zirkulärer" Art. Etwa die sogenannten Meridiane, die laut Akupunktur-Lehre den ganzen Körper durchziehen, seien wissenschaftlich nicht nachzuweisen, dennoch zweifle kaum jemand an der prinzipiellen Wirksamkeit der Akupunktur.

TCM keine "Naturmedizin"

Für Wallner ist die Psychotherapie vergleichbar mit einem Text. Dabei würden die Worte nur klar, wenn man sie im Ganzen, im Kontext sehe. Ein Stück herausgenommen, sei unverständlich. Für die chinesische Medizin räumte Wallner mit der Ansicht auf, dass es sich dabei um eine Art "Naturmedizin" handle. Vielmehr stecke "ein hochdurchdachtes, hochtheoretisches" Gedankengebäude dahinter.

Bei dem Kongress sollen auch chinesische Wissenschafter, die auf dem Boden der chinesischen Medizin Psychotherapie betreiben, mit westlichen Psychotherapeuten in Diskussion kommen. Die Organisatoren erwarten sich davon nicht nur eine Bereicherung der westlichen Psychotherapie durch aus China stammende Methoden: "Die Diskussion der Grundlagen der chinesischen Medizin wird auch zeigen, in welchem Sinn sie als wissenschaftlich angesehen werden kann." Zudem erhoffen sich die Verantwortlichen, dass "aus dem Verständnis der andersartigen Wissenschaftsstruktur der chinesischen Medizin auch die Wissenschaftsstruktur der Psychoanalyse verständlich wird". (APA)