Sarajewo - Knapp acht Jahre nach dem Massaker an bosnisch-moslemischen Männern und Jugendlichen in der UNO-Schutzzone Srebrenica haben diese Woche die Exhumierungen an weiteren Stellen in Massengräbern begonnen. Am 31. März waren die ersten 600 der damals Ermordeten auf dem mit internationalen Geldern finanzierten Friedhof gegenüber dem ehemaligen Hauptquartier der UNO-Blauhelme in Potocari bei Srebrenica begraben worden. Nach internationalen Angaben wurden nach der Übernahme von Srebrenica durch bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995 7.000 bis 8.000 Moslems ermordet.

Langwierige Arbeit

Experten der "Internationalen Kommission für Vermisste Personen" (ICMP) gehen seit Montag gemeinsam mit lokalen Richtern, Polizisten und Pathologen in der unweit des bosnisch-serbischen Grenzflusses Drina gelegenen Gegend um Srebrenica und Bratunac Hinweisen nach, die unter anderem von Ermittlern des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag (ICTY) erbracht wurden. Auch in der Anfangszeit des Bosnien-Krieges im Frühjahr 1992 angelegte Gräber würden untersucht, sagte Rick Harrington vom bosnischen Büro der ICMP in Sarajewo im Gespräch mit der APA.

Als "work in progress" bezeichnete Harrington die langwierige Arbeit seiner Experten. Erst Mitte März hatten Ermittler des UNO-Tribunals gemeinsam mit ICMP-Mitarbeitern etwa 50 Kilometer nördlich von Srebrenica das vermutlich größte Grab mit Toten des von Einheiten des bosnisch-serbischen Generals Ratko Mladic verübten Massakers entdeckt. Bis zu 600 Leichen wurden hier möglicherweise bereits ein zweites Mal verscharrt. Bosnisch-serbische Behörden sollen nach Abschluss des Dayton-Friedensvertrages im Dezember 1995 die ursprünglichen Standorte nicht mehr für sicher gehalten haben und hätten deshalb an vielen Stätten die alten Gräber mit Baggern wieder ausheben lassen, um so die Leichenteile an "sichereren" Orten erneut zu begraben.

Identifikation kann manchmal Jahre dauern

Da die Zusammensetzung der oft in unterschiedlichen Gräbern befindlichen Knochen- und Gewebestücke nur in mühevoller Kleinstarbeit von den ausländischen und einheimischen Pathologen, Archäologen und Anthropologen geleistet werden kann, nimmt die Identifikation der Toten manchmal Jahre in Anspruch. Rick Harrington, Leiter der forensischen Abteilung von ICMP in Sarajewo, ist deshalb mit der genauen Nennung von Zahlen vorsichtig. Dass bis zum achten Jahrestag des Massakers von Srebrenica am 11. Juli, wie von bosnischen Zeitungen berichtet, etwa 400 bis 500 namentlich identifizierte Opfer begraben werden können, hält er jedoch für realistisch.

Im Gespräch mit der APA warnt er dennoch vor zu hohen Erwartungen, was durch die Analysetätigeit in den ICMP-Labors in Banja Luka und Tuzla bei der Identifizierung der immer noch etwa 40.000 vermissten der 200.000 Toten des Bosnien-Krieges an rascher Aufklärung leistbar sei. "Es ist nicht so hoffnungslos, wie es noch vor ein paar Jahren aussah, doch die mangelnde Kooperationsbereitschaft vieler lokaler Stellen und der mühsame Prozess der Exhumierungen beschleunigen sicherlich nicht unsere Arbeit."(APA)