Berlin, im Frühjahr 2003. "Endlich wieder im Angebot", heißt es auf dem kleinen, gelben Plakat in schwarzen Lettern: "Wasch-Lotion Yvette-Intim aus Halle". Angepriesen wird in dem kleinen Laden auch eine Kosmetikserie aus Tschechien, die besonders zu DDR-Zeiten begehrt war. Daneben prangt am Schaufenster der Hinweis auf das Duschgel der Marke Koivo von Berlin-Cosmetics.

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"Viele Kunden kaufen die alten Drogerie- und Kosmetikartikel aus dem Osten Deutschlands nun wieder, weil sie hautverträglicher und wesentlich billiger sind", sagt die Verkäuferin. In dem bis unter die Decke voll gestellten, schmalen Laden in der U-Bahn-Ebene unter dem Berliner Alexanderplatz gehen tagtäglich viele Tausend Menschen vorbei. Einige von ihnen finden den Weg in das seit 1984 existierende Geschäft in dem Fußgängertunnel zwischen U- und S-Bahn.

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"Koivo kaufe ich hier schon seit Jahren ein, weil ich ähnliche Drogerieartikel aus dem Westen nicht vertrage. Die sind mir zu stark parfümiert", erzählt eine Stammkundin. Viele Waren sind nach der deutschen Wiedervereinigung ihrer Meinung nach zu Unrecht aus den Regalen der Kaufhäuser und Supermärkte verschwunden. "Die meisten Ostartikel waren schon früher gut und sind es bis heute", sagt sie.

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Mit dieser Meinung steht sie längst nicht mehr alleine da. Mittlerweile haben auch Zehntausende weiterer Kunden altbekannte Ostprodukte wiederentdeckt. Onlineshops wie Ossiversand.de oder Ossiladen.de wurden gegründet, haben sich auf die steigende Nachfrage nach Ostprodukten eingestellt und ihr Sortiment stetig erweitert. Ossiversand aus Landsberg bei Halle gibt es seit November 1998, ein Jahr später eröffnete der Wettbewerber Ossiladen seine Pforten. "Bei uns bestellen inzwischen 40.000 Kunden regelmäßig", berichtet Michael Frühauf, Betreiber des Internet-Einkaufshops Ossiladen.de in Espenhain bei Leipzig.

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"Die meisten ordern aus unserem Sortiment von 900 Ostprodukten Waren im Wert von rund 40 Euro", sagt der gebürtige Leipziger und stöhnt, weil zurzeit die Arbeit kaum zu schaffen ist. Der Ende Februar angelaufene Film "Good bye, Lenin" habe einen enormen Nachfrageschub ausgelöst. "Seitdem der Streifen in den Kinos ist, rollt die Bestellwelle." Auf der Top-Ten-Liste von Michael Frühauf stehen unter anderem Nudossi, das Ost-Nutella aus Radebeul bei Dresden, oder Halloren-Sahnecreme-Kugeln aus Deutschlands ältester Schokoladenfabrik in Halle.

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Gefragt sind aber auch Märchenvideos von alten Defa-Filmproduktionen wie "Hase und Wolf" und "Froschkönig" oder die legendäre Kinder-Stoffpuppe Pittiplatsch. "70 Prozent der versandten Pakete gehen sogar in die alten Bundesländer", sagt Michael Frühauf.

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Jahrelang wurden Ostprodukte wie Schokolade der Marke Schlager-Süsstafel verschmäht und lieber Ritter-Sport oder Lindt verspeist, statt Knusperflocken von Zetti wurden Choco-Crossies von Nestlé genascht. Beim Bohnenkaffee musste es Jacobs Krönung statt Röstfein sein. Alles, was mit DDR zu tun hatte, geriet über Nacht in Vergessenheit, war schlecht oder falsch, weil es für Diktatur stand. Es gab keine Zwischentöne. Die Mehrzahl der DDR-Bevölkerung war nur noch neugierig auf Westprodukte. Es dauerte etwa ein halbes Jahrzehnt, bis für Waren aus dem Osten wieder Platz in ihren Köpfen war. Der Alltag und die Erinnerung an Produkte, mit denen Menschen in der DDR groß geworden waren, kam zurück.

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"Ich kaufe heute wieder verstärkt Ostprodukte ein, weil sie mir vertraut und weil sie vielfach besser sind", sagt Gabriele Westfahl aus Neuruppin im ostdeutschen Bundesland Brandenburg. Zu ihren Favoriten zählen Pflaumenmus der Marke Mühlhausen aus Thüringen, Bautzener Senf oder Butter von Sachsenmilch. Und beim Abwasch setzt die 43-jährige Zahnärztin nicht auf Pril von Henkel aus Düsseldorf, sondern auf Fit aus Hirschfelde bei Zittau in der Oberlausitz.

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Die immer größer werdende Popularität von Ostprodukten ist den großen Handelskonzernen wie Metro und Rewe nicht entgangen. Auch sie haben sich inzwischen auf den Nachfrageschub in der Bevölkerung eingestellt. "Wir berücksichtigen verstärkt regionale Eigenheiten. Nach dem Run auf Westprodukte nach der Wende setze eine Trendumkehr in Richtung DDR-Nostalgie ein", sagt Simone Meyer von der Real SB-Warenhaus GmbH, die zum Metro-Handelskonzern gehört.

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"Bis zu 2000 Ostprodukte haben wir bis heute in das Sortiment unserer Supermarktfilialen im Osten Deutschlands aufgenommen." Penne-Nudeln aus Riesa stehen seitdem ganz selbstverständlich neben Fettuccine oder Spaghetti von Buitoni oder Barilla in den Regalen der Supermärkte. "Viele Kunden in Ostdeutschland kaufen ganz bewusst die Nudeln aus Riesa, weil sie die heimische Wirtschaft fördern wollen", vermutet Simone Meyer.

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Auch die Tengelmann-Gruppe hat diesen Trend erkannt und bietet nun Rondo-Kaffee, Kathi-Backmischungen oder Vita-Cola an. Plus hat 132 ostdeutsche Erzeuger in seine Warenpalette aufgenommen, allerdings zu niedrigsten Discountpreisen. Spee-Waschmittel oder Rotkäppchen-Sekt verkaufen sich nur deshalb auch im Westen, weil sie günstiger sind als vergleichbare Artikel.

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Doch viele Marken sind nur noch dem Namen nach Ostprodukte, denn zahlreiche Ostfirmen wurden in den vergangenen Jahren von Unternehmen aus dem Westen oder Ausland übernommen. Die Waschmittelmarke Spee beispielsweise gehört schon seit langem zur Düsseldorfer Henkel-Gruppe. Auch Florena-Creme aus dem sächsischen Waldheim ist nicht mehr eigenständig und ging vor fast einem Jahr vollständig in den Besitz des Hamburger Beiersdorf-Konzerns über, der ebenso die bekannte Marke Niveau verkauft. Das gilt auch für die großen Bierbrauer wie Wernesgrüner oder Radeberger, die nur noch dem Namen nach Ostprodukte sind.

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Trotz dieser Entwicklung haben sich andere Ostproduzenten behauptet und einen Namen gemacht. Nun denken einige schon einen Schritt weiter. Die Berliner Produktionsfirma Massine Productions, die unter anderem mit Musicalproduktionen wie "Grease" und "Fame" bekannt geworden ist, will das neue Interesse an der untergegangenen DDR nutzen. Seit mehreren Monaten sitzen sechs Mitarbeiter der Firma an Planungen für einen "DDR-Park" zusammen.

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Zutritt auf das Hoheitsgebiet des wieder auferstandenen Staates sollen Besucher über eine Grenzkontrolle erhalten, so die Planungen. Und das Eintrittsgeld wird kurzerhand in Zwangsumtausch umbenannt. Gabriele Westfahl aus Neuruppin findet diese Idee zynisch. "Ich bin entsetzt, dass man jetzt in Berlin einen DDR-Disneyland-Park errichten will. Das ist eine geschmacklose Vermarktung von vergangenen Lebensgefühlen." (Matthias Schäfer, Der Standard/rondo/18/04/2003)

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Ossiversand: Eine breite Palette mit rund 1000 Ostprodukten, von Nahrungsmitteln, Spielzeug bis hin zu CDs und Videos bietet Ossiversand. Das Unternehmen gibt sogar einen Katalog für Kunden heraus, die keinen Internetanschluss haben. ossiversand.de
Ossiladen:Eine reichhaltige Sammlung von fast 900 Ostartikeln offeriert der Ossiladen. Ob Bautzener Senf, Florena-Creme oder Sandmännchen-Figuren, in den virtuellen Regalen des Shops wird jeder Interessierte fündig. ossiladen.de

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Ostprodukteshop: Auch in ostdeutschen Supermärkten und Kaufhäusern besonders selten erhältliche Produkte sind hier aufgelistet. Versand- und Zahlungsarten werden übersichtlich ausgewiesen. ostprodukteshop.de DDR-Suchmaschinen: Die Website Ostprodukte.de bietet ein umfangreiches Linkverzeichnis zu Ostfirmen im Internet. Mehr Informationen über die DDR gibt es außerdem bei www.ddr-suche.de; Buchtipp: Günter Höhne: Penti, Erika und Bebo Sher - Die Klassiker des DDR-Designs. Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf. ISBN-3-89602-320-9

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