Wien - Die Frage der für die Umsetzung nötigen Planposten wird zum Knackpunkt der Reform des Vorverfahrens im Strafprozess. Die Justiz bekommt keine neuen Planstellen für die StPO-Reform. Justizminister Dieter Böhmdorfer will die nötigen Posten durch "Umschichtungen und organisatorische Maßnahmen" innerhalb des Ressorts zur Verfügung stellen. Und er will beim Rechtsschutz sparen: Die "exzessiv eingerichteten Rechtsmittel- und Beschwerdemöglichkeiten" sollen gestrafft werden, erklärte Böhmdorfer.

"Es ist der politische Wille dieser Koalitionsregierung, dass die Personalfrage nicht so sehr auf die Reform durchschlägt", sagte er. Man müsse "ohne Verzicht auf rechtsstaatliche Qualität die Planstellensituation bedenken".

Forderung der Staatsanwälte für Böhmdorfer "nicht seriös"

Die Staatsanwälte, die künftig das Vorverfahren leiten sollen, haben eine Verdoppelung um 200 Posten angefordert, das Justizministerium hat in seinem Entwurf nur 70 Posten mehr vorgesehen. Die Forderung der Staatsanwälte ist für Böhmdorfer "nicht seriös", weil der endgültige Gesetzestext noch nicht vorliegt. Im Ministerium glaube man "an die Arbeitsziffer 70". Um Posten in diesem Ausmaß bereitstellen zu können, suche man derzeit nach weiteren "Effizienzpotenzialen". Aber Böhmdorfer merkt an: "Wir sind im Justizministerium schon sehr weit fortgeschritten bei den Effizienzpotenzialen."

Außerdem will Böhmdorfer die in der Regierungsvorlage vorgesehenen Rechtsmittel "auf ein vernünftiges, rechtsstaatlich notwendiges und ökonomisch vertretbares Ausmaß zurückführen". Konkret schlägt er vor, Beschwerden und Rechtsmittel gegen Vorverfahrens-Schritte an an sich anfechtbare Entscheidungen - also z.B. Anklageerhebung - zu koppeln.

Einigung spätestens im September

Er begründet dies auch damit, dass durch viele Beschwerden "zwischendurch" die Tätigkeit des Gerichtes "wirklich behindert werden" könne: "Es kann nicht sinnvoll sein, wenn man gegen viele Entscheidungen von untergeordneter Wichtigkeit Rechtsmittel ergreifen kann." Mit jeder Beschwerde würde das Vorverfahren de facto unterbrochen, müsste doch der Akt an die Instanz, die über die Beschwerde entscheidet, weitergegeben werden.

Böhmdorfer ist trotzdem zuversichtlich, zu einer Einigung über die StPO-Reform zu kommen. Bis zum Sommer, "mit Toleranz bis September", sollten die Gespräche im Unterausschuss des Justizausschusses abgeschlossen werden. Im Herbst solle die Reform im Plenum des Nationalrates beschlossen werden. Tatsächlich in Kraft treten soll sie nach einer drei bis dreieinhalbjährigen Legisvakanz, weil ja umfangreiche Vorbereitungen nötig seien, erklärte Böhmdorfer. Helige fordert Verzicht auf Reform

Die Richtervereinigung fordert angesichts der Tatsache, dass die Regierung nicht bereit ist, die nötigen zusätzlichen Planstellen zur Verfügung zu stellen, den Verzicht auf die Reform des strafprozessualen Vorhabens. "Unter diesen Umständen ist die derzeitige Situation noch besser", betonte Präsidentin Barbara Helige. Sollte der Entwurf dennoch wie vom Justizministerium vorgeschlagen umgesetzt werden, "stellt er von vornherein totes Recht dar". Die Regierung habe zu verantworten, dass eines ihrer wesentlichen Vorhaben "eine Totgeburt wird".

Die Richtervereinigung werde "alles in ihren Kräften stehende tun, um ein Gesetz zu verhindern, dass statt einer rechtsstaatlichen Fortentwicklung einen Freibrief für die Sicherheitsbehörden bringt, die dann in keiner Weise mehr kontrollierbar sind", sagte Helige. Das Projekt ohne zusätzliche Planstellen fortzusetzen, bedeute "eine Bankrotterklärung von vornherein". Verantwortung bei der Bundesregierung

Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) habe um Planstellen für die StPO-Reform "gekämpft", betonte Helige. Die Verantwortung für das Scheitern der Reform liege nicht bei ihm, sondern bei der Bundesregierung insgesamt.

Böhmdorfers Vorstellungen, wie die Reform auch ohne die vom Ministerium im Entwurf angeführten 70 zusätzlichen Planstellen (die Staatsanwälte fordern sogar 200 Mitarbeiter mehr) umgesetzt werden kann, erteilte Helige eine Absage: "Der Minister weiß ganz genau, dass es völlig undenkbar ist, die nötigen Planstellen durch Umschichtungen zu gewinnen."

Und die Ankündigung des Ministers, durch eine Straffung beim Rechtsschutz den Planstellenbedarf reduzieren zu wollen, ist für Helige "absurd": "Da wurde dieses Gesetzesvorhaben erst immer als rechtsstaatliche Fortentwicklung gefeiert und jetzt sollen die rechtsstaatlichen Möglichkeiten beschnitten werden." Ohne ausreichend Planstellen und ausreichenden Rechtsschutz seien die Sicherheitsbehörden im Vorverfahren nicht kontrollierbar.(APA)