Vielen Briten droht die Altersarmut

Vielen Briten droht Altersarmut. Die staatlichen Pensionen nehmen sich im EU-Vergleich kümmerlich aus. Die betrieblichen Rentenversicherungen, das zweite Standbein, haben zu viel Geld in Aktien gesteckt und leiden unter der Börsentalfahrt der vergangenen Jahre.

Ein Pensionär mit durchschnittlichem Einkommen bekommt rund 40 Prozent seines letzten Nettoverdienstes vom Staat. Durchschnittlich sind das pro Monat etwa 490 Euro. Die Summe gliedert sich in staatliche Grundrente und Zusatzrente. Die Belastungen der Alterssicherungen der Briten werden sich in den kommenden 20 Jahren abschwächen, der hohe Frauenerwerbsanteil wird sich durch eine Erhöhung des Frauenpensionsalters auf 65 Jahre positiv auswirken. Derzeit gehen Frauen mit 60, Männer mit 65 in Pension.

Die zweite Säule, die Betriebsrentenkassen, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen einzahlen, wankt jedoch. Elf Millionen Menschen, etwa ein Drittel der aktiven Bevölkerung, schließen betriebliche Rentenversicherungen ab. Der Aktienanteil britischer Pensionsfonds kletterte auf über 70 Prozent. Nach dem Crash an den Finanzmärkten fehlt nun vielen Kassen das Geld. Die Folge: Ein Unternehmen nach dem anderen zieht sein Angebot zur betrieblichen Altersversorgung zurück. Daher pumpt Labour wieder mehr Geld in staatliche Pensionen: 2003 um 4,7 Prozent mehr als 2002.

Frankreich: Ruhe vor dem Streik-Sturm

In Frankreich will die Rechtsregierung von Jean-Pierre Raffarin noch diese Woche eine Rentenreform vorlegen. Kernpunkt der ersten tief greifenden Reform seit 1993 ist die Gleichstellung von Beamten und Privatangestellten. Bisher müssen die Staatsangestellten 37,5 Jahre, die Privaten hingegen 40 Jahre Beiträge leisten, um in den Genuss einer Vollpension zu gelangen. Raffarin will nun auch von den Beamten 40 Jahre abverlangen. Die Gewerkschaften drohen schon mit massiven Streiks.

Das gesetzliche Pensionsalter von 60 Jahren für Männer und Frauen wird voraussichtlich beibehalten. Weil aber die Beamten oft schon vor 55 in den Ruhestand treten, hat Frankreich eines der niedrigsten tatsächlichen Pensionsalter des Westens: 58,7 Jahre. Von den über 55-Jährigen arbeiten in Frankreich nur noch 38 Prozent der Erwerbstätigen. Und auf 9,9 Millionen Rentner kommen nur 14,9 Millionen Aktive.

Auch an der Rentenhöhe will Raffarin nicht rütteln. Die Franzosen sind stolz auf ihre "Securité Sociale" - und darauf angewiesen, da Frankreich kaum Betriebssparsysteme (Pensionskassen) kennt. Die Durchschnittspension liegt bei 1038 Euro im Monat (Männer 1344 Euro, Frauen 769 Euro). Die Mindestpension beträgt 525 Euro. Berechnet werden diese Alterszuschüsse aufgrund eines komplizierten Schlüssels, der von den 25 bestbezahlten Lohnjahren ausgeht.

Deutschland: Die "Riester-Rente" als Zusatzsäule

In der deutschen Altersvorsorge gibt es nicht nur die Pension, sondern auch die Rente. Pensionen beziehen die Beamten, Renten die übrigen Ruheständler. Während die Beamten keine Beiträge für ihre Alterssicherung zahlen müssen, sind Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig.

Das Rentensystem ist umlagefinanziert - wer arbeitet, versorgt die Ruheständler. Mit der Rentenreform von 2001 hat Deutschland zwei weitere Säulen ausgebaut: Jeder Arbeitnehmer hat nun einen Anspruch darauf, Teile des Gehaltes in eine betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen. Außerdem kann er eine private abschließen. Beide neuen Varianten fördert der Staat durch Steuer- erleichterungen oder Zulagen (die so genannte "Riester-Rente", benannt nach dem damals zuständigen Minister Walter Riester).

Der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung beträgt derzeit 19,5 Prozent, die Hälfte trägt der Arbeitnehmer. Die Standardrente, der 45 Versicherungsjahre und Durchschnittsverdienst zugrunde liegen, liegt in den alten Bundesländern bei 1176 Euro, nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bleiben 1082 Euro. Eine Mindestrente gibt es nicht. Das gesetzliche Pensionsalter für Männer und Frauen sind 65 Jahre, das tatsächliche liegt bei 59,7. In Deutschland beträgt der Anteil der Pensionsausgaben am Bruttoinlandsprodukt 11,8 Prozent.

Schweden: Garantiepension und Prämiensparpflicht

Seit 1999, nach der Krise des Wohlfahrtssystems, gilt in Schweden für alle ab 1954 Geborenen ein neues Rentensystem. Das normale Rentenalter liegt für Männer und Frauen bei 65 Jahren, ab 61 kann man mit Abschlägen in Pension gehen (in der Praxis gehen die meisten mit 62).

Das System stützt sich auf mehrere Säulen: Die Basis bildet eine beitragsbezogene Grundrente (inklusive Garantiepension für Personen ohne Erwerbstätigkeit). Dazu kommen Zusatz- und Prämienrenten (diese werden von den Arbeitsmarkt-Partnern ausgehandelt, dies gilt auch für Staatsangestellte; das System des Beamtentums existiert nicht) sowie die steuerlich absetzbare private Vorsorge. Der Beitragssatz liegt bei 18,5 Prozent und wird zu gleichen Teilen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert. Neu am System ist vor allem das obligatorische Prämiensparen. 2,5 Prozent der eingezahlten Beiträge müssen vom Leistungsnehmer selbst angelegt werden - angesichts fallender Börsenkurse ist der anfängliche Enthusiasmus für diese Sparform inzwischen in tiefe Skepsis umgeschlagen. Kritisiert wird auch, dass nun die 15 besten Verdienstjahre Basis für die allgemeine Zusatzrente sind. Früher wurde jede verdiente Krone angerechnet. Für die ersten vier Lebensjahre eines Kindes erhält die Betreuungsperson extra Pensionsrechte. Insgesamt werden für Pensionen etwa acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgegeben.

Niederlande: Staatlich garantierte Altersgrundsicherung

Das niederländische System der Alterssicherung ist eine Kombination aus Umlage- und Kapitalsystem. Das gesetzliche Rentenalter liegt für Frauen und Männer bei 65 Jahren, real wird mit durchschnittlich 59 Jahren in Pension gegangen. Die Mindestsicherung im Alter beträgt 70 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns (1206 Euro).

Das Rentensystem besteht aus einer umlagefinanzierten Grundrente (70 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns für Alleinstehende, 50 Prozent für Paare), finanziert aus einkommensabhängigen Beiträgen. Ein großer Teil derjenigen, die de facto aus dem Erwerbsleben ausscheiden, geht übrigens nicht direkt in Rente, sondern in die so genannte "Frührente für Berufsunfähige" (AOW). Zurzeit gilt ein Drittel aller Männer zwischen 55 und 64 Jahren als berufsunfähig und bezieht eine solche Rente.

Die Grundrente kann kombiniert werden mit einer betrieblichen Altersversorgung, deren Beiträge steuerbefreit sind. Die Betriebsrenten sind umlagefinanziert, der Löwenanteil der Beiträge wird aber (Selbstständige ausgenommen) von den Arbeitgebern aufgebracht. Dritter Pfeiler des niederländischen Rentensystems sind kapitalfinanzierte Privatversicherungen, deren Auszahlungen derzeit 19 Prozent der Einkommen der über 65-Jährigen ausmachen. Die Beamtenpensionen sind in den Niederlanden an die Lohnentwicklung gekoppelt.(Frank Herrmann, Stefan Brändle, Jörg Wojahn, Anne Rentzsch, Klaus Bachmann/DER STANDARD, Printausgabe, 18.4.2003)