Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat am Donnerstag in ihrer traditionellen Osterbotschaft bestätigt, dass der kühne Versuch, alle noch offenen Fragen des nordirischen Friedensprozesses mit einem Schlag zu beantworten, fürs Erste missglückt ist. So findet auch der fünfte Jahrestag des Karfreitagsabkommens in mehr oder weniger hoffnungsvoller Erwartung statt.

Geplant war, dass London und Dublin einen umfangreichen Truppenabbau in Nordirland, Polizeireformen und die Wiederherstellung der nordirischen Selbstverwaltung ankündigen sollten. Daraufhin hätte die IRA ihren "Krieg" für beendet erklärt und die gänzliche Abrüstung versprochen.

Auf dieser Grundlage hätte die größte Protestantenpartei unter dem ehemaligen Chefminister David Trimble ihre Rückkehr in die Koalitionsregierung beschlossen. Das hätte genügt, um die verschobene Erneuerungswahl für das nordirische Parlament am 29. Mai durchzuführen.

Letzte Woche hatten die beiden Premiers, der Brite Tony Blair und der Ire Bertie Ahern, es rundweg abgelehnt, ihr eigenes politisches Kompromisspaket zu veröffentlichen, weil die IRA offenbar mit einer nichts sagenden Erklärung darauf zu reagieren gedachte. Ahern wurde zitiert, er habe dieses erste Papier als "Witz" bezeichnet. Es ist das erste Mal, dass Ahern offen gegen die IRA und die mit ihr verbundene Sinn-Féin-Partei antritt. Auch der US-Vermittler, Botschafter Richard Haass, warf bei einem Blitzbesuch in Belfast seinen Einfluss auf die IRA in die Waagschale.

Gegenstand des geballten Drucks aus Washington, London und Dublin ist der Wunsch nach Endgültigkeit. Nach Jahren der Zweideutigkeit soll die IRA Klartext reden und ihren "Krieg" für beendet erklären. Dass sie zögert, beweist letztlich, dass der Verdacht, Sinn Féin benutze die Existenz der IRA, um Zugeständnisse zu erpressen, berechtigt war. Die gegenwärtige Szene ist beispiellos: Die IRA hat sich dem politischen Druck gebeugt und nachgebessert - aber offenbar noch nicht genug. Es mag sein, dass Blair, der eben sein Amt aufs Spiel setzte, um Truppen in den Irak zu schicken, jetzt weniger Geduld für die Wortklaubereien der IRA aufbringt. Die beiden Premiers scheinen entschlossen, keine politischen Vorleistungen mehr zu erbringen, um die IRA zu besänftigen: Diesmal muss die IRA als erste Kreide fressen.

Killerkommandos

Sir John Stevens, Kommandant der Londoner Polizei, hat indes am Donnerstag Auszüge aus einem Untersuchungsbericht veröffentlicht, in dem er bestätigt, dass britische Geheimdienste und die nordirische Polizei in den 80ern eng mit den Killerkommandos der protestantischen Ulster Defence Association (UDA) in Nordirland zusammenarbeiteten, um mutmaßliche IRA-Mitglieder zu ermorden. Staatliche Spitzel innerhalb der UDA lieferten die Informationen und hatten im Voraus Kenntnis von Attentaten. Prominentestes Opfer war der Anwalt Pat Finucane, der 1989 in Belfast ermordet wurde. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.4.2003)