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Der Millenium-Tower ist mit 202 Metern der höchste Wolkenkratzer Wiens

Foto: REuters/ ACHIM BIENIEK

Wien - In anderen Städten, meint Christoph Chorherr, gebe es einen Unterschied: Auf der einen Seite stünden Zeichner, die mit Bleistift und Papier möglichst naturgetreue Zeichnungen von bestehenden Bauten anfertigten. Auf der anderen Seite säßen Stadtplaner. Letztere, so der Chef der Grünen Rathausopposition, hätten die Aufgabe, Pläne zu zeichnen, nach denen Bauwerber und Investoren dann ihre Bauwerke und Projekte realisieren können.

Geld oder Einfluss

Wien aber, schäumt Chorherr, Wien sei anders: "Hier baut einer, der genug Geld oder Einfluss hat, einfach drauflos- und die Stadtplanung genehmigt im Nachhinein. Das ist noch schlimmer als der Widmungsskandal."

Die Ursache ist nicht neu, liegt aber nun in Form eines "Gründruckes" vor. Gründrucke sind jene Dokumente, die von den Stadtplanern dem Gemeinderat zur gefälligen Genehmigung im Stadtparlament vorgelegt werden.

"Worst case"

Im Dokument würden, so Chorherr, nun all jene "Sünden" im Nachhinein genehmigt, die Georg Stumpf bei seiner Millennium City und bei seinem Millennium Tower begangen habe: Statt den genehmigten 140 Metern wurde der Turm 202 Meter hoch. Statt auf den genehmigten 10.000 kann man bei Stumpf auf 15.000 Quadratmetern ein 4. Spalte kaufen. Dagegen waren die Grünen (DER STANDARD berichtete) lange Sturm gelaufen. Dass die Behörde die "Fehlbauten" nachträglich genehmigt, hatte stets als "worst case szenario" gegolten.

Weitherzige Auslegungen

Während sich Stumpf selbst stets auf den Standpunkt gestellt hatte, alle Bauten hätten den Segen der Baupolizei, zeigte und zeigt sich auch Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SP) unglücklich: Seitens der Baupolizei sei es "zu extrem weitherzigen Auslegungen der Bestimmungen" gekommen. Zur Zeit der ursprünglichen Widmungen sowie der nachträglich vom Bezirk vorgenommenen Widmungserweiterungen sei er aber noch gar nicht im Amt gewesen.

Dafür, dass Schicker nun nur schwer den Abriss des Turms oder das Zumauern der Shoppingmall verfügen könne, hat Chorherr Verständnis. Die Stadt, so der Grünpolitiker, hätte sich das nachträgliche "placet" aber teuer "abkaufen" lassen sollen. Etwa durch Zusagen, Jugendeinrichtungen oder öffentliche Räume zu finanzieren.

Langwieriger Amtsweg

Ebensolche Zusagen "zu einigen Punkten, etwa dem Steg über den Handelskai", heißt es aus Schickers Büro, habe man Stumpf sehr wohl abgerungen. Sollte sich der Herr der Millennium City nach der Genehmigung nicht mehr daran erinnern, könnte sich für ihn in Zukunft mancher Amtsweg langwieriger gestalten. Nachsatz: "Aber erpressen können wir ihn natürlich nicht." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe 18.4.2003)