Wien/Paris - Schock und Fassungslosigkeit, Verbitterung und Wut über den "Barbarismus, den man in diesem Jahrhundert nicht mehr für möglich gehalten hätte", herrscht unter den Experten, die an der am Donnerstag in Paris abgehaltenen UNESCO-Tagung zum Irak teilgenommen haben.

Das berichtet die österreichische Teilnehmerin, Helga Trenkwalder, Irak-Spezialistin der Universität Innsbruck, im Gespräch mit der APA. Die Plünderung und Zerstörung der irakischen Kultur sei zum Teil offensichtlich "ganz gezielt" passiert, so Trenkwalder, die USA betrieben ganz bewusst eine "geistige Okkupation des Irak".

Mit Schlüsseln ins Nationalmuseum

Zum Teil seien die Plünderer mit Schlüsseln ins Nationalmuseum von Bagdad eingedrungen. Die Alliierten hätten trotz Warnungen und Hilferufen nichts zum Schutz der irakischen Kulturgüter unternommen, beklagt Trenkwalder. "Das ist ein Verbrechen, da sind wir uns alle einig." Einige der geplünderten Objekte seien mittlerweile in London, Paris, Zürich und im Iran wieder aufgetaucht.

"Noch viel beängstigender", so Trenkwalder, sei aber, dass nicht nur die alte Kultur, sondern auch Universitäten gezielt vernichtet würden. "Bücher werden aus den Räumen der Professoren geholt und verbrannt. Es wird alles ausradiert, was Kultur und Bildung ist, damit man eine MacDonalds-Kultur einsetzen kann. Wenn alles weg ist, ist man dann der einzige Hilfe Gebende."

Ob dieser Plan aufgehe, werde sich zeigen, so Trenkwalder. "Das Land hat noch immer sehr gut mental kämpfende Leute. Die ersten Aufstände der Schiiten in Nasria sprechen ja eine deutliche Sprache. Das Ende ist bei weitem noch nicht gegeben."

Film über erste Hochkultur der Menschheit

Trenkwalder, die schon 1980 erstmals als erste ausländische Grabungsleiterin im Irak tätig war, hat im November dort einen Film über die erste Hochkultur der Menschheit gedreht. Auch von den über 100 Objekten aus dem Nationalmuseum, die sie dabei gefilmt hat, sind drei inzwischen verschwunden.

Die Archäologin hat weder Information über den Zustand ihrer Grabungsstätte (in Borsippa, fünfzehn Kilometer südlich von Bagdad) und ihres Expeditionshauses, noch weiß sie, wie es den lokalen Mitarbeitern und Wächtern und dem Department of Antiquity in Bagdad, der lokalen Partnerstelle ihres Expeditionsteams, geht.

Fact Finding Mission

Als Sofortmaßnahme, damit die Grabungsstätte vor Übergriffen geschützt wird und sich nicht die "furchtbaren Erfahrungen aus 1991" wiederholen, fordert Trenkwalder eine "Fact Finding Mission", in deren Rahmen ein Team für Rettungsgrabungen vor Ort geschickt wird. Außerdem brauche man dringend Geld, um Wächter von Museen, Bibliotheken und Grabungsstätten zu bezahlen. "Das ganze System ist ja zusammengebrochen, niemand weiß, wer die Gehälter zahlt."

Freilich sei nach den internationalen Regeln für die Sicherheit und Ordnung eigentlich der Besatzer zuständig, stellt Trenkwalder fest. "Aber ich werde auch an die Spitze unserer Regierung herantreten und um Hilfe bitten." Bundespräsident Thomas Klestil habe anlässlich einer Tagung auch schon seinen Willen bekundet, zu helfen.

"Es muss diesem Land und seinen Museen und Grabungen geholfen werden, sonst geht das alles unter. Das ist aber auch eine moralische Verpflichtung. Denn die Leute, die da unten jetzt noch kämpfen, die haben ja ihr Leben eingesetzt für diese Arbeit, und das heißt auch für uns." (APA)