Simon Wiesenthal sieht seine Arbeit als getan.

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Wien/Jerusalem – In einen Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Format" (Freitagsausgabe) zieht der weltbekannte "Nazijäger" Simon Wiesenthal Bilanz über seine jahrzehntelange Arbeit und kündigt seinen Rückzug an: "Die Massenmörder, die ich suchte, habe ich gefunden. Ich habe sie alle überlebt. Wenn es welche gäbe, die ich nicht gesucht habe, sind sie heute zu alt und gebrechlich, um vor Gericht zu stehen. Meine Arbeit ist getan."

"Es ist sehr schwierig, der Öffentlichkeit die Verbrechen dieser Menschen nahezubringen", sagt Wiesenthal: "Immer noch muß ich mich um Gruppen und Vereine kümmern, die behaupten, so etwas wie den Holcaust hätte es nie gegeben".

Konflikt mit Kreisky in mildem Licht

Alois Brunner, die rechte Hand von Adolf Eichmann, ist für ihn der heute noch wichtigste lebende österreichische NS-Kriegsverbrecher. Er wird in Syrien vermutet. Wiesenthal:"Wenn er noch lebt. Sollte er in Syrien leben, so ist dort Judenmord anscheinend kein verfolgbares Verbrechen". Seinen Konflikt mit Bruno Kreisky, der ein Verleumdungsverfahren gegen ihn anstrengte, das Wiesenthal gewann, sieht Wiesenthal heute in einem milden Licht. "Wir sind Blätter vom selben Baum".

Dem Motto "Ich habe euch nicht vergessen" fügt der "Nazijäger" eine neue Komponente hinzu: "In den letzten Jahren schicken mir sehr viele ältere Juden Briefe mit Zeugenaussagen, ich frage dann: "Warum habt ihr nicht früher geschrieben?" Wiesenthal: "Mein Schluss ist dann immer: Wenn diese Leute ins Jenseits kommen, werden sie auf die Antwort – was habt ihr getan?" antworten: "Wir haben Wiesenthal geschrieben."

Das Simon-Wiesenthal-Center Jerusalem vermutet laut "Format" mehrere NS-Kriegsverbrecher in Österreich. "In Österreich gibt es sehr viele potentielle Verdächtige. Wir tragen jetzt in einigen Fällen das Material zusammen", sagt Efraim Zuroff, Leiter des Instituts, gegenüber dem Nachrichtenmagazin.

Gleichzeitig übt Zuroff Kritik an den Behörden: Sie seien "nicht besonders interessiert", noch lebende NS-Täter strafrechtlich zu verfolgen. Zuroff weiter: "Die Inaktivität der österreichischen Behörden ist ein direktes Resultat des fehlenden politischen Willens, NS-Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen."

"Operation Last Chance"

Derzeit sucht das Simon-Wiesenthal-Zentrum Jerusalem im Rahmen der "Operation Last Chance" im Baltikum nach den letzten noch lebenden Kriegsverbrechern. Zuroff denkt nun daran, die Aktion auch auf Österreich auszudehnen: "Meiner Überzeugung nach ist Österreich eines der ersten Länder, in denen wir das Projekt vorantreiben müssen."

Nach Recherchen von "Format" laufen in Österreich derzeit noch vier Verfahren gegen mutmaßliche NS-Täter. Sieben weitere wurden in den vergangenen Monaten eingestellt. (red)