Alberto Meda

Foto: Freund

Leuchte "Titania"

Foto: Luceplan/Leuchte "Titania"

Liege "Longframe"

Foto: Alias/Liege "Longframe"

Bürosessel "Medea"

Foto: Vitra/ Bürosessel "Medea"
"Wir sind sowieso schon so komplizierte Wesen", sagt Alberto Meda, "wir sollten uns wenigstens mit Dingen umgeben, die einfach sind. Ansonsten . . . che vita difficile!"

Also nimmt er seine Kunden bei der Hand und versucht, ihnen das Leben ein wenig einfacher zu machen. Nehmen wir seine Homepage: wie auf einer Perlenschnur aufgefädelt, klar umrissen und schnörkellos die Produkte, die er seit fast 30 Jahren für Hersteller wie Alessi, Luceplan, Alias, Philips und Cappellini entwirft; darüber sein Name in eleganter graublauer Schrift, und daneben: "Ingegnere". Ein paar Verzweigungen noch - Press, Contact -, sonst nichts.

Ingegnere! Das steht da wie die schmückenden Ehrentitel italienischer Glücksritter oder Tycoons, da ein Cavaliere, dort ein Avvocato. Aber bei ihm ist es mehr, er ist wirklich zu allererst Ingenieur, und darauf legt er Wert, auch wenn ihn alle Welt als Designer kennt.

Meda! Auch der Name klingt wie gut entworfen, irgendwo zwischen Meta, Midas und Idea angesiedelt, und als das Möbelunternehmen Vitra vor einigen Jahren bei ihm einen Bürostuhl in Auftrag gab, erhielt es nicht nur ein gut durchdachtes und besitzerfreundliches Produkt, sondern benannte es gleich, entgegen der Firmengewohnheit, nach seinem Entwerfer.

Dabei wurde Alberto einfach in eine Familie dieses Namens hineingeboren, 1945 in Lenno Tramezzina bei Como. Nach dem Maschinenbaustudium und einem langweiligen Start bei einem Elektrounternehmen - "ich war für die Aufzüge in galvanischen Bädern zuständig" - wechselte er 1972 zum Plastikpionier Kartell, denn: "Ich habe mich gegen die Vorstellung gewehrt, dass man als Ingenieur nur für die Lösung technischer Detailprobleme zuständig ist und das Nachdenken über das Gesamtprojekt anderen überlässt."

Bei Kartell entwickelte er bereits Produkte und experimentierte mit damals ganz neuen Materialien. 1979 machte er sich selbstständig. Ein riskantes Unterfangen, aber, so sagt er, er hatte Glück. Er wohnte ums Eck von Alessandro Mendini, der ihn eines Tages einlud, im angesagten Magazin Modo über den unaufhaltsamen Aufstieg von Plastik zu schreiben - worauf ihn Alfa Romeo als Konsulenten beschäftigte, was ihm vor Augen führte, dass es da immer noch die Pininfarinas und Giugiaros vor seiner Nase gab. "Also wurde ich mein eigener Konsulent."

Die Ergebnisse seiner Selbstberatung? Die grazile Schreibtischlampe "Jack" oder, ebenfalls für Luceplan, die Hängeleuchte "Titania", lauter schwebende Ellipsen, "die mit CAD ganz leicht gehen"; Jahre später dann die mit drei Gelenken in alle Richtungen verdrehbare Lampe "Fortebraccio"; der Hightech-Speisenwärmer "Kalura" für Alessi; das Sessel-Projekt "Light Light" aus tatsächlich nur zwei Kilo schweren Karbonfasern, eine Hommage an die "Superleggera" (1957) seines Kollegen Gió Ponti und deren Fortführung mit modernsten Mitteln; die Familie der "Frame"-Stühle und -Tische, ebenfalls für Alias, deren gefinkelte Alurahmen und Bespannung den Anstoß für den Vitra-Auftrag gegeben haben dürften. Jeder dieser Entwürfe bedient sich ungewöhnlicher Materialien und komplexer Produktionsverfahren, doch, so Medas Maxime, der Benutzer braucht sich darum nicht zu kümmern, solange er das Resultat schätzt. Meda verkörpert das italienische, genauer wohl das norditalienische Ideal: die Liebe zu eleganten, auch extravaganten Ideen, gepaart mit der Rationalität der Moderne. Spiel, aber kein Chaos. Ulm ist Mailand eben näher als Neapel.

St. Moritz ist noch näher. Da sitzt Meda nun in der Runde seiner Kollegen, bei dem von der Raymond Loewy Foundation veranstalteten Design-Summit, und räsoniert. "Wir sollten von gelösten Problemen umgeben sein, nicht von Problemen." Auf dem Gipfeltreffen ist gerade beschlossen worden, dass sich die Teilnehmer mit dem Thema Wasser beschäftigen wollen. Das hat er bereits vor Jahren getan und für Arabia Finland einen Wasserfilter entwickelt, der nicht aufwändiger als ein Trichter aussieht, aber einiges mehr leistet. Er nimmt noch einen Schluck von dem aus England in die Schweizer Alpen importierten Hildon-Mineralwasser. "Manches wird wohl immer rätselhaft umständlich bleiben", sagt er.

Gelegentlich macht Meda Ausflüge in neues Terrain. Für den Produzenten Chi ha paura . . . ? entwarf er Ohrclips - natürlich wieder eine elegant simple Lösung, ineinander verdrehte Spiralen, die eine Scheibe bilden. Dazu gehört aber wiederum eine aufwändige Konstruktion, diesmal allerdings eine sprachspielerische, halb persönlich, halb englisch, stabreimend und anagrammatisch. Der Name des Produkts nämlich: "Meda Made". Dem Ingegnere ist nichts zu schwere. (Michael Freund, DER STANDARD, rondo/18/04/2003)