Bild nicht mehr verfügbar.

John Neumeier

Foto: APA/Ulrich Perrey

Bild nicht mehr verfügbar.

Lloyd Riggins (l.) in "Messias"

Foto: APA/dpa

Das Oratorium von Georg Friedrich Händel, dramaturgisch gestrafft, als Grundlage für ein bejubeltes Gesamtkunstwerk


Wien - Das Festival Osterklang steht gerade am Beginn, schon heißt es: Zwei Vorstellungen mit dem Hamburg Ballett, beide restlos ausverkauft, nicht enden wollender Applaus! Gegolten hat dieser dem seit gut 30 Jahren in Deutschland wirkenden US-Choreografen John Neumeier, seinem erstklassigen Ensemble, dem Wiener Kammer Orchester unter Günter Jena und dem formidablen Wiener Kammerchor mit den Solisten Sabine Ritterbusch, Barbara Hölzl, Rainer Trost und Adrian Eröd.

Gemeinsam hat man mit Messias zum dramaturgisch gestrafften Oratorium von Georg Friedrich Händel auf der Bühne der Halle E im Museumsquartier ein Gesamtkunstwerk vollbracht, das in der visuellen Umsetzung, in der schlichten wie pointiert markanten Bühnenausstattung (Ferdinand Wögerbauer) einfach überwältigen musste.

Neumeier, der in den 70er-Jahren dem Staatsopernballett wiederholt bis heute gültige Werke übergeben hat, gilt zweifellos als Spezialist des erzählenden wie Musik interpretierenden Balletts. Im Laufe seiner Karriere hat er sich immer wieder mit sakraler Musik beschäftigt, hat Bachs Matthäuspassion und Magnificat tänzerisch in Szene gesetzt, hat 1991 bei den Salzburger Festspielen mit dem Hamburg Ballett Mozarts Requiem zur Premiere gebracht und hat sich schließlich 1999 Händels Messias einverleibt.

Dass ihm die Auseinandersetzung mit der Überfülle an insgesamt irritierenden Bibeltexten und die Beschäftigung mit der ihm bis dato nicht vertrauten Musik schwer gefallen sei, gibt er offen zu. Neumeier aber hat sich der Herausforderung gestellt, hat umgearbeitet, gefiltert, schließlich jene dramatische Essenz herausgeschält, die den Betrachter in seinem choreografischen Universum mitschwingen lässt.

Den Leidensweg Christi lässt er als Strang mitlaufen, vermittelt aber zuallererst die Befindlichkeiten, die Freude und das Leid eines Völkchens, das als Teil der Menschheit betrachtet werden kann. Die Gruppe orientiert sich an Prophezeiungen, sucht nach dem versprochenen Erlöser aus der Pein. Neumeier lässt die nach Spirituellem Strebenden im alltäglichen Leben verankert. Ihre Kümmernisse, die familiären Beziehungen verwandelt er in Tanz, in schnörkelloses, zeitgemäßes Ballett, in dem auch der Spitzenschuh seiner erhebenden Funktion vollkommen gerecht wird.

Die dominierende Schräge wird zum Sammellager für die Heilsuchenden, wird zu jenem Ort, wo der Verpönte in der Leere der Einsamkeit seine Kraft tankt. Jene Kraft wirkt nach dem Tod weiter, füllt mit neuer Energie das Leben. Versöhnung, Halleluja! 40 Tänzer fließen im Strom der Harmonie. Das Hamburg Ballett durfte seinen Erfolg genießen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.04.2003)