Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vermögensberater zu einer Eigenanalyse der von ihm empfohlenen Anlageprodukte, insbesondere über den inneren Wert von Aktien inländischer Kapitalgesellschaften, verpflichtet ist, ist in der österreichischen Rechtsprechung ungeklärt. Genau mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Linz in einem Schadenersatzprozess, den ein vermeintlich geschädigter Anleger gegen seinen ehemaligen Vermögensverwalter und Anlageberater führt, einen Rechtszug an den Oberste Gerichtshof zugelassen. Es geht um einen Schaden von 30.000 Euro, der durch einen sukzessiv eingetretenen, letztlich totalen Absturz einer Immobilienaktie eingetreten ist. Der Kunde hatte einen Verkauf der Papiere zu einem früheren Zeitpunkt angeregt. Der Berater wollte die katastrophale Entwicklung nicht glauben und hat die Papiere bis zum Totalverlust gehalten.

Wer eine klare Antwort auf die Frage der Verpflichtung eines Anlageberaters zur Eigenanalyse erwartet hat, wird von der OGH-Entscheidung (11. 3. 2010, Ob28/10m) enttäuscht. Nur ganz allgemein führt der OGH aus, dass ein Beratungsfehlers auf "halten" nach dem Kurseinbruch einer Aktie grundsätzlich zu einer Haftung führen kann. Die Entscheidung ist für Anlageberater und vermeintlich schlecht beratene Anleger trotzdem interessant.

Fachsimpeln ist ungefährlich

Allgemeines Fachsimpeln eines Beraters mit seinem Kunden bei Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags und das gemeinsame Festlegen von Anlagezielen - von konservativ mit geringem Ertrag bis hochspekulativ mit dem Risiko der Nachschusspflicht - erfordert Sorgfalt, ist aber für den Berater relativ risikoarm. Anleger müssen dem Berater fast immer Hinweise wie "ein Totalverlust ist bei keiner Veranlagung ausgeschlossen" , "die tatsächliche Entwicklung kennt niemand" und Ähnliches unterschreiben. Meist wird auch die Haftung für leichte Fahrlässigkeit wirksam ausgeschlossen.

Risikoreich wird es für Vermögensberater aber dennoch, wenn der Kunde sich in die Vermögensverwaltung zu einem späteren Zeitpunkt einschaltet, bestimmte Anlageformen hinterfragt und Vorschläge über den Wechsel zu vermeintlich aussichtsreicheren Wertpapieren anregt. Ein Berater ist in solchen Fällen gut beraten, den Vorschlägen des Kunden zu folgen oder auf die Bestätigung des Kunden zu bestehen, dass die Strategie des Beraters beibehalten werden soll. Sonst besteht ein hohes Haftungsrisiko.

Eine konkrete Schadensberechnung ist in diesen Fällen durch den Vergleich des tatsächlichen mit dem hypothetischen Vermögensstands im Falle der Befolgung der Vorschläge des Kunden einfach. Auch Argumente, warum die Strategie des Beraters fehlerhaft gewesen sein soll, sind relativ leicht zu finden.

Aber: Wer bei Beratungsfehlern Schadenersatz verlangt, muss dem Berater in aller Regel die Übergabe der vermeintlich wertlosen Papiere anbieten. (red, DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2010)