Shanghai war für viele österreichische Juden Zufluchtsort.

Foto: Eva Gaderer

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Zwischen Wok und McDonalds kommen Gelüste nach Kässpätzle auf.

Shanghai ist ohne Zweifel eine Stadt der Superlative, eine Megacity die einen hohen Lebensstandard und zahlreiche Karrieremöglichkeiten bietet. Nun, die Zahl der Einwohner entspricht in etwa drei Mal der österreichischen Population, nichtsdestotrotz kennt man hier "‚Aodili", durch die Musik und durch "Sound of Music", aber auch jenseits dieser Verbundenheit existieren zwischen Shanghai und Österreich langjährige Verknüpfungen. Zwischen 1938 - 1941 emigrierten 18.000 deutschsprachige Juden, davon 6.000 aus Österreich nach Shanghai, um dem nationalsozialistischem Regime zu entfliehen.

Zur Erinnerung daran sind derzeit zwei Gedenkdiener aus Österreich in Shanghai im Einsatz. Der Gedenkdienst ist seit den 1990ern eine Alternative zum Wehrdienst und wurde eingeführt um die Mitschuld Österreichs am Holocaust zu betonen. Jungen Österreichern wird die Möglichkeit geboten, in einem internationalen Netzwerk von Holocaust-Gedenkstätten und Museen verschiedene Projekte zu verwirklichen. Im israelischen Pavillon der EXPO wird Ho Fengshan geehrt, ihm wird eine besondere Rolle für die jüdischen Flüchtlinge zugeschrieben. Der damalige chinesische Botschafter in Wien stellte unzählige lebensrettende Visa aus, außerdem war es in den so genannten westlichen Konzessionen der Stadt möglich, sich auch ohne Visum und Aufenthaltsgenehmigung niederzulassen.

Die Konzessionen sind aus der Besatzungszeit übrig geblieben und so manches Viertel verströmt europäisches Flair. Die French Concession ist noch heute Anziehungspunkt vieler Wahl-ShanghaierInnen aus Österreich. In der Shaoxing Lu findet man das Vienna Café, wo heimische Spezialitäten zu heimischen Preisen angeboten werden. Ein paar Straßen weiter kann man im Ewald's Sehnsüchte nach gutbürgerlicher, österreichischer Küche befriedigen; Ewald bekocht übrigens auch den Österreich Pavillon auf der EXPO. Nicht zuletzt werden im Servus Austria regelmäßig Zusammenkünfte für österreichische Expats (Expat = Expatriat, eine Fachkraft die für eine ausländische Zweigstelle eines Unternehmens/einer Institution tätig ist) veranstaltet.

Ein traditioneller Osterbrunch beispielsweise, bei dem Osterschinken und Kren, gefüllte Eier und Wienerschnitzel serviert werden, lassen kurzfristig die kulinarische Realität Shanghais vergessen. Obwohl es an Angeboten in Shanghais Straßen nicht mangelt, findet man, sollte man das Glück haben eine englischsprachige Karte zu ergattern, immer wieder Leckereien wie Frosch, Aal, Innereien, Hundesuppe, oder Ähnliches. Von Glutamatsuppe, frittiertem Reis und Baoze (chinesischer Germknödel) kann sich Herr und Frau Österreicher schnell einen Grausen essen - wie man so sagt. Der Bedarf an österreichischer Küche ist in Shanghai offensichtlich vorhanden, die Lokale werden von Einheimischen wie Expats gut besucht. 

Die Anzahl der in Shanghai lebenden ÖsterreicherInnen schwankt stark, da viele nur kurz bleiben, gerade zurzeit im Rahmen der EXPO, aber auch Austauschstudienerde oder PraktikantInnen wählen Shanghai als ihre Destination. Mehrere hundert leben fix in Shanghai, und der Community liegt etwas an sporadischen, gemeinsamen Aktivitäten und an heimatlichen Essen.

Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass das subjektive Empfinden von Heimweh oftmals auf den Magen schlägt. Essen, so banal dies klingen mag, ist neben dem Erfahrungsaustausch über Transport, kulturelle Unterschiede und Einkaufstipps, ein viel diskutiertes Thema zwischen österreichischen Expats in Shanghai. Kulinarische Gelüste, welche in heimatlichen Gefilden oftmals gar nicht aufkommen würden, manifestieren sich hier zwischen Wok-Garküchen, Teppanyaki, McDonalds & Co in einer undefinierbaren Sehnsucht nach Käspätzle, Leberkäs und Schokolade.

Woher diese Sehnsucht kommt, weiß ich nicht. Shanghai hat angeblich die beste Küche der Welt. Ich hab sie auch schon gefunden, in Form eines deutschen Supermarktes, der Pasta und fertige Tomatensauce anbietet. Sogar Parmesan steht im Regal. Dass dies nicht die österreichische Küche repräsentiert ist mir bewusst. Dass die Waren um die halbe Welt gekarrt werden müssen um meinen "Gusta" zu befriedigen, ebenso. Nicht besonders nachhaltig, klar. Chinesische Nudeln schmecken ausgezeichnet, nur halt nicht jeden Tag. Man lebt nur einmal, denke ich, reibe meinen österreichischen Wanst, denke an ein gezapftes Stiegl und sinniere über die Bedeutung des Wortes Heimat. Gewinnt die Verbundenheit zum Heimatland erst in der Ferne an Relevanz oder konstruiert man (ein kulinarisches) Idealbild um dem Gefühl der Entwurzelung entgegen zu wirken? Der Gedanke an den einen oder anderen österreichischen Wahlkampf und das dabei vermittelte Heimatbild löst eine latente Übelkeit bei mir aus. Ich lese Thomas Bernhard und nehme mir vor heute Baoze zu essen! (Eva Gaderer)