Marieke Bakker hat zwar noch nie gewählt, dafür das Programm der neuen Jugendpartei Lijst 17 geschrieben.

Foto: derStandard.at/Niederndorfer
Foto: www.lijst17.nl

Lot Feijen, eben noch auf der Showbühne, vielleicht doch bald im Haager Parlament.

 

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"Wir diskriminieren alte Menschen nicht. Viele Senioren finden es schön, die Welt durch die Augen der Jungen zu sehen", sagt Marieke Bakker. Die 19-Jährige ist im Stress. Trotzdem hat sie sich für ein kurzes Gespräch mit derStandard.at Zeit genommen. In der Lobby eines Amsterdamer Hotels feilt die Politologiestudentin an ihrem Politikmarketing: "Es kann nicht sein, dass junge Leute doppelt zur Kassa gebeten werden, für ihre eigene Ausbildung und für das Wohl ihrer Großeltern."

Bakker weiß, was Journalisten gerne hören; sie kann vor Publikum fehlerfrei referieren; sie glaubt zu wissen, welche Themen und welche Slogans die niederländische Jugend hellhörig machen. Gelernt ist eben gelernt. Die 19-Jährige mit den blonden Locken tritt bei der morgigen Parlamentswahl für die Jugendpartei Lijst 17 an. Zwar rangiert sie dort nur auf Platz elf, dafür ist Pressesprecherin Bakker gleichzeitig so etwas wie die Chefideologin der Partei, die aus einer TV-Castingshow des öffentlich-rechtlichen Jugendsenders BNN hervorgegangen ist. Kleiner Schönheitsfehler: von Ideologie oder einem originären Programm ist aller Ambition zum Trotz wenig zu merken.

"A LOT do do"

Insgesamt 30.000 Menschen haben sich um die 34 Listenplätze beworben. Das Rennen gemacht hat Lot Feijen ("There is a LOT to do"), eine telegene, 21-jährige Journalismus-Studentin aus dem Städtchen Wijchen in der östlichen Provinz Gelderland. Sie habe sich durch ihre Persönlichkeit, ihre Ideen und ihre Ausstrahlung gegen die Konkurrenz durchgesetzt, heißt es im Pressetext. Politische Erfahrung bis dato: null.

Kein links-rechts-Raster

Programmatisch hat sich Lijst 17 - wenig überraschend - vollends auf den Pool an Erst- und Jungwählern eingeschossen. So fordert man die Beibehaltung des vergleichsweise großzügigen niederländischen Stipendiensystems für Studierende, bezahlbaren Wohnraum für Junge und einen weiteren Ausbau des Öffentlichen Verkehrs.

Legalisierung von Cannabis

Auch die vollständige Legalisierung so genannter weicher Drogen wie Haschisch und Marihuana ist Lijst 17 ein Anliegen. "Bis jetzt kann man diese Dinge zwar in den Coffeeshops kaufen, die Lieferung der Drogen liegt aber nach wie vor in den Händen der organisierten Kriminalität", sagt Bakker.

Damit steht Lijst 17 keineswegs alleine da, auch die oppositionelle Sozialistische Partei fordert, was Bildungs- und Drogenpolitik betrifft, Ähnliches. "Die anderen Parteien kümmern sich nicht wirklich um die Jugend, wir wollen unsere Arbeit ganz in ihren Dienst stellen", erklärt Bakker.

Zwei der Kandidaten auf den hinteren Plätzen der Liste waren zuvor bei den Sozialdemokraten von der in Umfragen führenden PvdA aktiv. Als linkslastig will Marieke Bakker die neue Partei aber nicht bezeichnet wissen. "Die jungen Leute wollen sich nicht mehr in diesen links-rechts-Raster einordnen lassen", glaubt sie.

Schlechte Umfragewerte

Bisher scheint das Konzept, das Bakker entworfen hat, nicht aufzugehen. Allen Umfragen zufolge erreicht die Jugendpartei keinen einzigen Sitz in der Tweede Kamer, dem Unterhaus des Haager Parlaments. Und das obwohl Lijst 17 alles andere als ein alternatives Projekt von jungen Wilden ist, sondern aus einer TV-Show mit veritablen Einschaltquoten hervorgegangen ist.

Die Sendung hat BNN viel Kritik eingebracht. Nachdem die Partei Anfang Mai präsentiert wurde, hat sich der Sender nach einem Rüffel durch die auf politische Ausgewogenheit bedachte Rundfunkbehörde offiziell distanziert. Auch sonst agierte die Truppe bislang eher glücklos. "Wir müssen das politische Business erst lernen, wir haben alle überhaupt keine Erfahrung", sagt Marieke Bakker, für die die Wahl am Mittwoch nicht nur passiv sondern auch aktiv eine Premiere ist.

Namensproblem

Ihren ursprünglichen Namen LEF (Liberté, Egalité, Fraternité) musste die Jugendpartei nach Klagsdrohung einer Lokalpartei aus Emmen auf das weit weniger glamouröse Lijst 17 ändern. Dem bemüht jugendlichen Image entsprechend setzt man im Wahlkampf statt auf klassische Plakatkampagnen etwa auf einen Fallschirmsprung und auf massive Präsenz in den sozialen Netzwerken im Internet, vor allem auf dem niederländischen Facebook-Äquivalent Hyves.

Dass ihre Chefin Lot Feijen nicht, wie in arrivierten Parteien üblich, von einem Gremium an die Spitze gewählt wurde, findet Marieke Bakker nicht schlimm. Und schon gar nicht undemokratisch: "Lot wurde von tausenden Fernsehzuschauern gewählt. Viel demokratischer geht es doch gar nicht." (flon, derStandard.at, 8.6.2010)