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Zum Augenverschließen findet Johannes Voggenhuber die Auftritte der Grünen: "kein Unterschied zu ÖVP-Politikern."

Foto: APA/Herbert Neubauer

Wien - An Wahlabenden schließt Johannes Voggenhuber vor dem Fernseher gerne die Augen. Er hört dann Politiker, die Ausflüchte suchen, Fragen ausweichen, Niederlagen beschönigen. "Man kann heute nicht mehr unterscheiden, ob ein Grüner spricht oder zum Beispiel einer von der ÖVP", meint Voggenhuber. Beim Wegreden des eigenen Versagens habe seine Partei in den vergangenen Jahren Rekorde gebrochen: "Es ist immer dieselbe Attitüde, doch dahinter bleibt das Nichts."

Voggenhuber hat bei dieser "Autosuggestion" nicht mitgemacht, sondern es den Kollegen immer wieder reingesagt, was ihm den Job als Europaparlamentarier gekostet habe. "Als ich vor zwei Jahren vom fehlenden Feuer sprach, war es ein Verbrechen, jetzt ist es plötzlich selbstverständlich", wundert er sich im Standard-Gespräch über die von Parteichefin Eva Glawischnig abwärts um sich greifende Selbstkritik: "Ich frage mich, wo die Ohren der Verantwortlichen waren, die alles mitgetragen haben. Die Kritik kam schon damals eher zu spät als zu früh."

Auf die Barrikaden

Mehr denn je liege heute "auf der Hand", auf welche Ziele sich die Grünen konzentrieren müssten, meint Voggenhuber, gerade dramatische Zeiten wie diese böten der erlahmten Bewegung "alle Chancen". Rigide Sparprogramme "bis tief ins Fleisch hinein" drohten Europa in eine Rezession zu stürzen, die Regierung kürze "irrwitzigerweise" bei der Bildung. "Ob wir unter der Last dieser bodenlosen Verantwortungslosigkeit als Raucher oder Nichtraucher begraben werden, halte ich eher für zweitrangig", urteilt der ausgebootete Veteran.

"Auf die Barrikaden" müssten die Grünen gegen den drohenden Kahlschlag steigen, sich mit Professoren, Studenten, dem Mittelbau an den Unis verbünden. Statt zu jeder Frage alle paar Tage Alibistatements an die Agenturen zu schicken, gelte es, die Kräfte über Wochen für ein großes Anliegen zu bündeln, "vom Parlament bis in die letzte Gemeindestube". Allianzen müssten geschlossen, konkrete Ziele formuliert, öffentlicher Druck aufgebaut werden - "das kleine Einmaleins der Politik eben", sagt Voggenhuber: "Politik erschöpft sich nicht in larmoyanten Presseaussendungen und dem Herunterbeten der ewig gleichen Forderungskataloge."

"Eine Bankrotterklärung"

Dass die Grünen "unvollständige und oberflächliche Antworten" gäben, erklärt sich der Kritiker auch mit fehlender "intellektueller Analyse" der politischen Zusammenhänge - womit Voggenhuber bei der Führungsgarnitur angelangt ist, die er als "hermetische Führungsclique, die Machterhalt betreibt" , charakterisiert. "Früher waren wir eine unendlich lebendige Partei", sagt er, "die Eintrittsgebühr war, sich bei Bürgerinitiativen oder sozialen Bewegungen Glaubwürdigkeit erworben zu haben." Heute werde der Nachwuchs "in internen Zirkeln" rekrutiert und "die Gefolgschaft von oben gesteuert".

"Bis in die Spitzenpositionen" müsse die "personelle Erneuerung" bei den Grünen gehen, erläutert Voggenhuber: "Wenn es in einer Partei heißt, es gäbe zu diesem oder jenem keine Alternative, dann ist das immer eine Bankrotterklärung." Außerdem: "Wo ist die Umweltpolitik, wo ist die Abfallpolitik? Dafür zuständig war jahrelang die Frau Glawischnig."

Noch eine Frage kann sich Voggenhuber eineinhalb Jahre nach dem turbulenten Bruch mit seiner Partei vor der Europawahl nicht verkneifen: "Was ist denn aus der damals propagierten Erneuerung der grünen Europapolitik geworden? Und gibt's überhaupt noch irgendjemanden, der weiß, wer damals gewählt wurde?"

Der 60-jährige Salzburger, der im August das Buch Res publica (Residenz-Verlag) veröffentlicht, ahnt, dass ihm die grünen Kontrahenten diese Worte als "Eitelkeit des Propheten" auslegen werden. Doch damit tue man ihm Unrecht, sagt Voggenhuber: "Ich bin nicht froh darüber, dass die Dinge in Erfüllung gegangen sind. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 8.6.2010)