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Aus "harmlos" kann "bösartig" werden

Foto: AP/Martin Angelstein

Candida albicans ist ein im Grunde harmloser Hefepilz, der bei rund drei Viertel aller gesunden Menschen nachgewiesen werden kann. Unter bestimmten Bedingungen verändert er sich jedoch und kann schwerwiegende, oft auch tödlich verlaufende Erkrankungen verursachen. Auf neue Erkenntnisse auf dem Gebiet machten Forscher der MedUni Wien in einer Aussendung aufmerksam. Die Arbeitsgruppe von Karl Kuchler an der MedUni Wien konnte nun in einer Arbeit zeigen, wie der Pilz seine Virulenz steuert, und damit eine völlig neue Strategie beim Therapieansatz finden.

Pathogene Pilze können bei Patienten mit einem geschwächten Immunsystem außerordentlich bösartige und häufig sogar tödliche Infektionen der Haut, Schleimhäute und den inneren Organen verursachen. Weltweit werden alljährlich mehr als sechs Milliarden Euro für antifugale Medikamente ausgegeben, und die Gesamtkosten für die medizinische Behandlung von Erkrankungen durch pathogene Pilze übersteigen dreistellige Milliardenbeträge. Die Pilze selber sind dabei - wie auch Candida albicans - häufig sehr weit verbreitet und an sich harmlos.

Entdecktes Protein Set3

Die Arbeitsgruppe von Karl Kuchler im Christian Doppler Labor für Infektionsbiologie an den Max F. Perutz Laboratories, Abteilung für Molekulare Genetik der MedUni Wien, konnte nun in einer in PLoS Pathogens veröffentlichten Arbeit zeigen, dass chemische Veränderungen an den Histonproteinen des Pilzes für seine Virulenz ausschlaggebend sind und die 'Verwandlung' in eine virulente Form steuern. Dafür ist das von dem Forscherteam entdeckte Protein Set3, eine Histondeacetylase, verantwortlich. Set3 reagiert auf bestimmte Signale des Wirtes, wie etwa Körpertemperatur, Blutzusammensetzung oder Stoffwechselprodukte, erkennt den optimalen Zeitpunkt für die Ausbreitung und steuert die Verwandlung des Pilzes in eine hochvirulente Form. Die ausschlaggebenden Histone sind kugelförmige Proteine, mit deren Hilfe die DNA, also die genetische Information im Zellkern 'aufgewickelt' und 'verpackt' wird. Set3 kann diese Histone und damit die Eigenschaften des Pilzes verändern, da dadurch die Aktivität bestimmter DNA Abschnitte (Gene) kontrolliert wird.

Ampelfunktion

"Das Set3 Protein fungiert quasi als Ampel für die Aggressivität des Pilzes." erklärt Karl Kuchler. "Sie signalisiert dem Pilz den optimalen Zeitpunkt für die Ausbreitung. Wir können zeigen, dass eine Störung des Schaltkreises der Ampel zu permanentem Rotlicht führt und somit die Virulenz des Pilzes stark reduziert." Wird die Set3 Histondeacytelase nämlich durch genetische Veränderung aus dem Candida-Genom entfernt, geht seine Virulenz fast vollständig verloren. Der Verlust des Set3 Proteins verhindert die korrekte Erkennung der Wirtssignale und bewirkt dadurch, dass der Pilz vom Immunsystem des Wirtes besser erkannt und effizienter eliminiert werden kann.

Diese wichtigen Erkenntnisse legen eine völlig neue Strategie für die Entwicklung antifungaler Therapien nahe. Es kann nun gezielt nach Medikamenten gesucht werden, die Histondeacetylasen wie Set3 blockieren, und somit die Ausbreitung pathogener Pilze im Wirt verhindern können. Damit könnten in Zukunft sehr oft tödlich verlaufende invasive Pilzinfektionen gezielter und effizienter behandelt werden. Der Grundstein konnte sogar schon gelegt werden: erste Modellsubstanzen, die die "Virulenzampel" auf Rot schalten können, wurden bereits entdeckt. (red)