"Das Nachbarschaftliche funktioniert im Großen und Ganzen." Daher muss sich Blimlinger mit dem starken Verkehrsaufkommen in Wien/Neubau beschäftigen.

Foto: derStandard.at/Winkler-Hermaden

Die Chancen, dass die Grünen bei der Wien-Wahl im Oktober drittstärkste Kraft werden, sind für Blimlinger intakt: "Die ÖVP ist nicht gerade gut aufgestellt."

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Dem Wahlkampf sieht Blimlinger gelassen entgegen: "Es gibt keine speziellen Pläne."

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Der Grüne Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger hat gut lachen und will auf keinen Fall mit seinen Kollegen in anderen Bezirken tauschen. Mit einem Rückhalt von 43,3 Prozent der Stimmen bei der Bezirksvertretungswahl 2005 steht er erfolgstechnisch ziemlich alleine da, wenn man die sonstigen Niederlagen der Grünen bei den vorangegangenen Urnengängen betrachtet. Im Interview mit derStandard.at spricht er über seine "Heimat" im 7. Bezirk, "komplizierte" Grüne und die großen Fußstapfen von Alexander van der Bellen.

derStandard.at: Herr Blimlinger, sind Sie ein Bobo?

Blimlinger: Ich finde die Debatte um Bobos sehr interessant, weil 90 Prozent der Menschen, die darüber sprechen, nicht wissen, was es ist. Ich tu‘ mir mit Stereotypen schwer. Nicht alle Menschen im 7. Bezirk sind Bobos.

derStandard.at: Was verbinden Sie mit dem Begriff?

Blimlinger: Etwas, das es ursprünglich auch geheißen hat. Wie heißt es?

derStandard.at: Borgeouise ...

Blimlinger: Bourgeoise Bohemien, genau. Das ist ein Begriff, den jemand aus den USA erfunden hat. Es ist der Versuch, einen Menschen in der Stadt zu beschreiben. Es kommt dem, wie die Leute hier im 7. Bezirk leben, relativ nahe. Sie sind freiheitsliebend, aber auf der anderen Seite sind sie finanziell relativ unabhängig. Aber nicht alle Leute sind hier so, es stimmt nur zum Teil.

derStandard.at: Wie würden Sie die Leute im 7. Bezirk charakterisieren?

Blimlinger: Man hat viele Vorteile, eine gute Verkehrsanbindungen und Infrastruktur. Das zieht die Leute an. Es sind jüngere Leute, Singles. Der Anteil der Unter-45-Jährigen in unserem Bezirk ist sehr hoch, viel höher als im Wien-Schnitt. Das macht auch den Bezirk aus.

derStandard.at: Würden Sie gerne mit der Bezirksvorsteherin vom 10. Bezirk tauschen?

Blimlinger: Das ist eine ganz andere Herausforderung. Es sind ganz andere Menschen. Ich bin gerne im 7. Bezirk. Es ist mein Heimatbezirk. Auch wenn der Begriff Heimat komisch klingt, aber ich bin hier geboren, habe die Entwicklung des Bezirks miterlebt. Ich war hier in der Schule, hatte ein eigenes Geschäft. Das ist sicher von Vorteil.

derStandard.at: Aber gibt es hier dann überhaupt genug Herausforderungen für Sie als Politiker? Oder ist es hier eine g‘mahte Wies‘n?

Blimlinger: Manche Probleme sind geringer als anderswo in Wien. Die Probleme der Menschen im 7. Bezirk sind in erster Linie der Lärm, der Verkehr. Da gibt es noch viel zu tun. Das Nachbarschaftliche funktioniert im Großen und Ganzen. Der Verkehr stagniert in den letzten Jahren zwar, aber das heißt nicht, dass es angenehm ist, Anrainer der Burggasse oder Neustiftgasse, wo es ein sehr hohes Verkehrsaufkommen gibt, zu sein. Da muss man weiterhin bestimmte Beschränkungen andenken. So wie generell für alle Innenbezirke, Stichwort City-Maut, auch wenn der Vorschlag jetzt durch die Volksbefragung vom Tisch scheint. Aber Beschränkungen gibt es auch in anderen Städten der Welt.

derStandard.at: Und wie sieht es aus mit einer Ausweitung des Radwegnetzes?

Blimlinger: Wenn man der Meinung ist, dass der Autoverkehr eingeschränkt werden sollte – und das bin ich – dann hat man auch für mehr Radwege Platz. Das Problem derzeit ist, dass dort, wo Parkspuren und schmale Gehsteige sind, wenig Platz für Fahrradwege bleibt. Aber ich habe schon sehr viel durchgesetzt – etwa im Sinne von Radfahren gegen die Einbahn.

derStandard.at: Bei der Burgenland-Wahl haben die Grünen eine Niederlage eingefahren. Die Parteispitze sagt, dass das an den Umständen des Wahlkampfes und den Gegebenheiten im Burgenland liegt. Warum bekennt sich die Parteispitze nicht schuldig?

Blimlinger: Grundsätzlich ist nie der Wähler schuld, sondern die Partei. Wiewohl die Bedingungen im Burgenland von vornherein nicht gut waren. Wir haben leider ein bisschen verloren und sind in der groben Auseinandersetzung um den Assistenzeinsatz untergegangen mit den Themen. Das ist zu bedauern. Ich denke aber trotzdem, dass die Grünen sehr wohl ihren Weg weiter gehen sollten: sehr kantig zu sein, das waren sie im Burgenland. Es geht eher um die Kommunikation und die Vermittlung der Themen, nicht darum, dass man die falschen Themen anspricht. Bei der Kommunikation gibt es große Defizite, die wirken sich in einem Flächenland mit wenig Urbanität sehr aus.

derStandard.at: Die Grünen haben also eigentlich nur im urbanen Bereich Chancen.

Blimlinger: Sie haben bessere Chancen, weil sie die Leute mit ihren Themen besser ansprechen können. Aber es geht eben auch darum, die Menschen am Land zu erreichen.

derStandard.at: Martin Margulies bezeichnet die Parteispitze als "uncharismatisch". So etwas lässt sich schwer ändern. Wie soll die Partei damit umgehen?

Blimlinger: In die Fußstapfen eines Alexander Van der Bellen, der einen untypischen Politiker darstellt, zu treten, war nicht einfach. Es geht aber nicht um die Spitze. Es geht um Inhalte und die Kommunikation. Dass man die Parteispitze kritisiert, gehört zum Wesen einer Demokratie.

derStandard.at: Würden Sie Margulies zustimmen, wenn er sagt, dass die Parteispitze "uncharismatisch" ist?

Blimlinger: Nein. Charisma ist ein wichtiger Teil der Persönlichkeit um Menschen anzusprechen, aber generell der Parteispitze das vorzuwerfen – diesen Befund teile ich nicht. Daran liegt es sicher nicht, dass man nicht so erfolgreich ist, wie man es sich wünscht.

derStandard.at: Sie sagen, die Kommunikation muss besser werden. Was bedeutet das in der Praxis?

Blimlinger: Ich muss das, was ich will, auch vermitteln können. Die Grünen sind manchmal sehr kompliziert oder werden als kompliziert dargestellt. Die Themen liegen aber auf der Hand. Die Grünen sind aus meiner Sicht ihrer Zeit immer ein bisschen voraus und das muss man berücksichtigen. Man muss die Themen den Leuten so vermitteln, dass sie sich darunter etwas vorstellen können. Das muss manchmal sehr einfach sein. Als Beispiel dafür: die Verbindung von Ökonomie und Ökologie. Man muss den Leuten klar machen, warum es gescheit ist, ökologisch zu sein, zu denken und zu handeln. Dann wirkt sich das auch ökonomisch aus – Stichwort: Green Jobs. Das sind ganz große Themen, nur die muss ich in die Köpfe kriegen.

derStandard.at: Das heißt, man muss einen Mittelweg zwischen intellektuell und populistisch finden?

Blimlinger: Intellektuell ist gut, aber für die Vermittlung an die Menschen muss ich es einfacher sagen.

derStandard.at: Das heißt die Grünen sind zumindest bei der Vermittlung zu intellektuell?

Blimlinger: Nicht zu intellektuell. Zu zukunftsträchtig, als dass sich gewisse Leute etwas darunter vorstellen können. "Shared Space" (Anm.: Verkehrskonzept ohne Ampeln, Verkehrszeichen) ist etwa ein Thema, wo ich mir denke: das ist die Zukunft. Das ist ein Thema des 21. Jahrhunderts. Es geht um Selbstverantwortung und Gerechtigkeit im Straßenverkehr. Wenn man von den Umständen heute ausgeht, fällt es den Leuten schwer, das zu begreifen. Es gibt Straßen, wo Autos fahren. Nur wenn kein Auto fährt, darf ich die Straße überqueren – weil ich der schwächere Verkehrsteilnehmer bin. Diese Vorstellung ist in den letzten 50 Jahren gewachsen. Von diesem Denken muss man sich befreien. Das ist ein Beispiel dafür, dass man vorpreschen und gleichzeitig gewisse Dinge erklären muss.

derStandard.at: Wie weit ist die Idee des "Shared Space" für den 7. Bezirk gediehen?

Blimlinger: Das ist ein Modell, um umzudenken. Zu sagen: es gibt einen gleichen Zugang zu Mobilität für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer. Das gerade dort, wo viel Fußgängerverkehr ist, auszuprobieren, halte ich für wichtig und wird auch die Zukunft in den Städten sein müssen. Im Innenstadt-Bereich ist das Auto das denkbar schlechteste Verkehrsmittel. Das sollte in die Köpfe der Leute hinein, es verstehen auch schon viele, aber das dauert. Man muss das diskutieren und behirnen, dann wird das nicht morgen, aber in den nächsten Jahren durchaus eine Chance zur Durchsetzung haben.

derStandard.at: Glawischnig hat als Wien-Wahlziel eine Regierungsbeteiligung und "Platz drei" vorgegeben. Ist das utopisch?

Blimlinger: Als Bezirksvorsteher, der bei der letzten Wahl knapp an der Absoluten vorbeigeschrammt ist, finde ich das nicht utopisch. Wir haben gute Chancen, uns in Wien zu steigern und die ÖVP ist nicht gerade gut aufgestellt. Daher sind die Chancen intakt.

derStandard.at: Wie wollen die Grünen im Wahlkampf überhaupt versuchen, Gehör zu finden, wenn sich wohl alles um das von Strache und Häupl inszenierte "Duell um Wien" drehen wird?

Blimlinger: Das so beschriebene Duell wird überbewertet. Die Grünen werden in anderen Bereichen Raum und Platz finden müssen, um die Wähler anzusprechen. Die Presse wird sich auf das Duell stürzen, man sollte sich da aber möglichst heraushalten und die eigene Politik verkaufen.

derStandard.at: Glawischnig will Mobilisierungsschwächen auf Bezirks- und lokaler Ebene beseitigen. Wie wollen Sie dazu beitragen?

Blimlinger: Das Entscheidende ist, dass ich meine Ideen und die der Grünen in diesem Bezirk nicht nur bei Wahlen sondern jederzeit versuche zu vermitteln. In vielen direkten Gesprächen. Ein kleiner Bezirk eignet sich gut, dauerhaft Netzwerke zu bauen und viel mit den Leuten zu kommunizieren. Hinzuhören, was die Leute wollen. Man ist Sender und Empfänger gleichzeitig. Das wird im Wahlkampf intensiver werden, es gibt aber keine speziellen Pläne. (Teresa Eder, Rosa Winkler-Hermaden, 4.6.2010)