Atlanta/Berlin - Wegen des Aufschwungs in den USA denken Notenbanker laut über eine Abkehr von der Krisenpolitik bis hin zu baldigen Zinserhöhungen nach: Der im Führungszirkel der Notenbank Fed als Verfechter eines eher straffen geldpolitischen Kurses bekannte Thomas Hoenig fordert eine Verteuerung des Zentralbankgeldes bis Ende des Sommers. Einer ersten Zinserhöhung auf ein Prozent soll nach einer Pause rasch ein Sprung auf über drei Prozent folgen. Zwei Kollegen Hoenigs geben zugleich die Parole aus, zumindest bald über eine Straffung der Geldpolitik nachzudenken.

Die US-Wirtschaft hatte zuletzt deutliche Hoffnungszeichen gesetzt. Dies ist Wasser auf die Mühlen der Befürworter einer härteren Geldpolitik. Sie befürchten höhere Inflation und neue Vermögensblasen, wenn die Notenbank nicht rechtzeitig die Zinszügel anzieht. Experten bezweifeln indes, dass sich die Zinsfalken bald durchsetzen werden.

Fed hält bis 2011 still

Die Angst vor den Folgen der europäischen Schuldenkrise für das US-Wachstum werde die Fed noch bis zum Frühjahr 2011 zum Stillhalten zwingen, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Fed-Banker Hoenig steht bereits seit längerem in Opposition zur Mehrheitslinie in der Fed. So hat er in dem für die Zinspolitik zuständigen Offennmarktausschuss (FOMC) in diesem Jahr mehrfach vergeblich verlangt, die Zusage langfristig ultra-niedriger Zinsen aus dem Vokabular der Notenbank zu streichen. Mit der Formel signalisiert die Fed den Märkten, dass Zentralbankgeld noch längere Zeit praktisch zum Nulltarif angeboten wird.

Bei der am 23. Juni anstehenden Zinssitzung dürfte die Fed nach Ansicht von Commerzbank-Ökonom Simon Junker den Märkten jedoch noch nicht signalisieren, dass sie eine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik ins Auge fasst: "Das macht jetzt noch keinen Sinn." Die Niedrigzins-Formel werde voraussichtlich erst im Spätsommer oder Herbst kassiert, um die Märkte auf eine Erhöhung im kommenden Jahr vorzubereiten.

Hoenigs Kollege Richard Fisher fordert die Notenbank wegen der wirtschaftlichen Erholung zumindest zum Nachdenken über Zinserhöhungen auf, auch wenn er einen solchen Schritt derzeit noch nicht für erforderlich hält: "Wir müssen bereit sein und wir müssen auch bereit sein, recht schnell zu handeln", meint Fisher, der 2010 allerdings im FOMC nicht stimmberechtigt ist. Dies gilt auch für seinen Fed-Kollegen Dennis Lockhart, der die Niedrigzins-Formel ins Visier nimmt. Hier sei künftig mehr "Flexibilität" gefragt, betont Lockhart, der einstweilen jedoch noch ein Festhalten an dem Bekenntnis zu ultraniedrigem Zentralbankgeld befürwortet.

Industrie stärkt Auftragspolster

Die Konjunkturlage erfordere dies eigentlich nicht mehr, meinen Kritiker. Im ersten Quartal legte die Wirtschaftsleistung aufs Jahr hochgerechnet immerhin um drei Prozent zu. Auch die Industrie sammelt wieder mehr Aufträge ein. Zugleich stiegen die Bauausgaben kräftig an und schürten somit die Hoffnung, dass der daniederliegende Häusermarkt allmählich wieder auf die Beine kommt. Die Achillesferse des Aufschwungs bleibt jedoch der Arbeitsmarkt, eine Sorge die auch Fed-Chef Ben Bernanke umtreibt. "Ein besonders heikler Punkt ist die noch immer hohe Arbeitslosenquote", warnte der Notenbankchef jüngst. Die Rate ist im Mai leicht auf 9,7 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Beschäftigten stieg um 431.000 - der stärkste Anstieg seit rund zehn Jahren. Aus Expertensicht werden sich die USA dennoch auf absehbare Zeit mit einem erhöhten Niveau an Arbeitslosigkeit abfinden müssen.

Allerdings stellt sich die Lage am Jobmarkt bei weitem nicht mehr so düster dar wie in den Rezessionszeiten: Die Privatwirtschaft schuf im Mai weitere Stellen, wenngleich der Anstieg etwas niedriger war als von Experten erwartet. Zugleich sank jüngst die Zahl derjenigen, die erstmals einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellten. Größere Sorge dürfte den Notenbankern die Schuldenkrise in Europa machen, die auch den Bankensektor in den USA und damit das Wachstum in Mitleidenschaft ziehen könnte: "Meine Kollegen und ich haben ein waches Auge darauf", betonte Fed-Banker Lockhart. (APA/Reuters)