EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat einmal Klartext gesprochen: "Jetzt oder nie" laute die Devise, die EU-Mitgliedsstaaten müssten sich endlich auf Regeln für die Finanzmärkte einigen, "sonst wird es nie was" . Wenn der sonst in vielen Sprachen eloquent herumschwurbelnde Portugiese derart deutlich wird, zeigt dies den Ernst der Lage. Viele Vorschläge, die die EU-Kommission gemacht hat, stecken im Parlament fest. Aber insbesondere die Untätigkeit und die Uneinigkeit der Regierungen in den EU-Staaten ermöglichen, dass Spekulanten weiterhin das Abwerten von Staatsanleihen betreiben und den Euro gefährden. Ratingagenturen tragen ein Übriges dazu bei, dass sich Schuldenkosten von Staaten verschlimmern. Deshalb ist es nur konsequent, dass die EU-Kommission strengere Regeln für die Aktivitäten für Ratingagenturen vorschlägt, die erstmals überhaupt der Finanzaufsicht unterliegen sollen.

Bisher haben die drei in den USAansässigen Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch eine Vormachtstellung. Ex-Moody's-Mitarbeiter schilderten am Mittwoch vor einem US-Kongressausschuss, wie Investmentbanken sie zur Vergabe von Top-Noten drängten. Der Investor Warren Buffett ist gar Moody's-Großaktionär. Und diese Privatfirmen beeinflussen mit ihren Einstufungen das Schicksal von Staaten und heizen die Finanzkrise an. Vergangenen Dienstag haben Gerüchte über eine Herabstufung der Bonität Frankreichs zu einem neuen Tiefstand des Euro geführt.

Dass die Ratingagenturen ihre nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungen transparent machen müssen, ist ein erster Schritt. Der Vorschlag der Kommission, Strafen von bis zu 20 Prozent des Umsatzes der verantwortlichen Filiale einer Agentur zu verhängen, ist konsequent. Was aber noch fehlt, ist eine Einigung auf die neue Struktur der Finanzaufsicht, weil die EU-Staaten der neuen EU-Aufsicht weitaus weniger Rechte geben wollen als das EU-Parlament.

Dieser Streit ist lächerlich. Wenn diese Krise etwas gezeigt hat, dann das: dass nationale Kompetenzen abgegeben werden müssen und eine europäische Koordination notwendig ist. Die EU-Staaten sollten noch weiter gehen und eine eigene europäische Agentur gründen.

Die Kommission strebt auch strengere Vorgaben für Aufsichtsräte und Risikomanager von Banken an. Das Versagen der internen Aufsicht hat dazu beigetragen, dass die Banken unüberschaubare Risiken eingingen. Auch hier müssen sich die EU-Staaten rasch auf ein einheitliches Vorgehen verständigen, genauso wie auf Regeln für Gehälter von Bankmanagern.

Dass Deutschland mit einem Verbot von Leerverkäufen vorgeprescht ist, hat endlich Schwung in diese Debatte gebracht. Gemeinsames EU-weites Einschreiten gegen riskante Börsenwetten ist erforderlich. In Österreich sind seit Oktober 2008 ungedeckte Leerverkäufe verboten - nur auf die großen börsennotierten Finanztitel. Die Staats- und Regierungschefs der EU sollten auch endlich von der Diskussion zu einer Entscheidung kommen, ob sie nun für eine Finanztransaktionssteuer, eine Bankenabgabe oder eine Steuer auf Finanzgewinne (Finanzaktivitätssteuer) sind.

Diese allgemeine Unsicherheit wird von Spekulanten ausgenützt, sorgt für Nervosität an den Märkten, wie Eurokurs-Schwankungen zeigen. Im Juni bieten der EU- und G-20-Gipfel die Möglichkeit, endlich Klarheit zu schaffen. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.6.2010)