Raum kann man nie genug haben. Schließlich hat der postmoderne Mensch mehr (Freizeit-)Graffl zu transportieren als sämtliche Generationen unserer Spezies bisher zusammen, bis zurück zum Homo erectus. Zeugs kaufen, das keiner braucht: Das ist immerhin der Motor unseres Wirtschaftssystems - und auch, horribile dictu, einer der wenigen verbliebenen Sinnstifter unserer Tage. Weil nun in der Autobranche auch keine Dummen werken, bedient sie diese Bedürfnisse mit immer neuen Konzepten. Vans, SUVs, Crossover heißen die aktuelleren, die modischste Spielart des altehrwürdigen Maler- und Tapezierergefährts nennt man Lifestylekombis.

Foto: Fischer

In nüchterner Kubatur sieht es bei unseren beiden Testwagen so aus: Der SUV (ML) fasst 540 Liter, bei umgelegter Rückbank werden bis zu 2050 daraus. Der TE schafft 695 l, maximal 1950. Warum der ML zuletzt die Nase vorn hat, ist bauartbedingt: Ein SUV, quasi das Hochhaus unter den Pkws, hat einfach mehr Platz nach oben als ein vergleichsweise flacher Kombi.

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Das bedingt aber einen höheren Schwerpunkt, was ausgeprägtere Karosseriewankbewegungen zur Folge hat: Bei allem Pkw-ähnlichen Komfort lässt sich dies auch bei einem so ausgereiften Allrounder wie der M-Klasse doch nicht leugnen, besonders nicht im Direktvergleich mit dem exzellenten Fahrwerk des TE. Diesen Spagat kriegen nur wenige wirklich restlos überzeugend hin, bei Mercedes etwa der Kompakt-SUV GLK.

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Damit dürfen wir die Aufmerksamkeit auf ein technisches Schmankerl lenken. ML 350 Bluetec 4matic, das heißt vor allem: einer der saubersten Dieselmotoren aller Zeiten. Die Ingenieure rücken hier dem nächsten großen bauartbedingten Bösewicht auf die Pelle, den Stickoxiden. Dazu wird Ad Blue, eine wässrige Harnstofflösung, in das heiße Abgas eingespritzt, und das Resultat - Ammoniak - wird im nachgeschalteten SCR-Katalysator zu Stickstoff und Wasserstoff reduziert. Das macht bis zu 80 Prozent der Stickoxide unschädlich. Kleiner Nachteil: Der Verbrauch steigt gegenüber dem vergleichbaren "normalen" Diesel geringfügig an.

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Lichttechnik, bitte Scheinwerferschwenk auf die E-Klasse. Danke. Der Nutzraumvergleich vorhin zeigte schon: Trotz aller stilistischer Eleganz ist das ein Mordstrumm Kombi. Mit 4,90 m Länge überragt er die M-Klasse um zwölf Zentimeter, reckt dem Wind aber eine 31 cm flachere Stirn entgegen. Damit krieg ich zwar jetzt mein Mountain-Bike nicht mehr stehend rein, liegend aber locker.
Wäre da nicht das lästige Knarzen in der Instrumentenkonsole gewesen, dieser Testwagen ginge als Quell ungetrübter Fahrfreude in die Annalen der Standard-Berichterstattung ein. Das Fahrwerk ist von eindrucksvoller Souveränität, was sich auf der Langstrecke ebenso bemerkbar macht wie bei Rütteluntergrund, etwa dem spätrömerzeitlichen Kopfsteinpflaster in Vindobonas Innenstadt.

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Das Ding ist wendig wie ein Golf (Wendekreis 11,25 m - Golf: 10,90 m), die Direktlenkung fantastisch direkt. Und die 5-Gang-Automatik - jene mit sieben Gängen bleibt den Motorisierungen 6-Zylinder aufwärts vorbehalten - reicht völlig aus, auch im Komfortkapitel; eventuell wäre eine ganz kleine Anfahrschwäche zu bekritteln.
Und weil Mercedes-Österreich-Pressechef Gregor Waidacher stets um unsere Sicherheit besorgt ist, waren jede Menge Schutzengel an Bord. So wurden wir also geflissentlich bepiepst und bewarndreieckt: In den Seitenspiegeln orange per Totwinkel-Assistent, falls dort was unserer extrem hohen Wachsamkeit entgangen sein sollte; rot per Abstandswarner, war die Lücke zum Vorderfahrzeug unter Sattelschlepperlänge geschrumpft.

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Nein, natürlich geht's um engeren Abstand, aber nichts, wo man selbst schon nervös werden würde. Sanft ignorieren (oder ausschalten) war unsere Strategie - wenn man's aber testhalber zu provokativ treibt, bremst der Herr Assistent schon mal rigoros selbst. Ein zartes Vibrato links oder rechts am Steuer (Spurhalte-Assistent) gemahnte ferner zur Spurtreue. Und in verträumten Momenten forderte schließlich der Attention Assist per Kaffeetasserl die Rückkehr in die Realität ein. Eine Aufforderung, der man in diesem Auto gerne nachkommt. (Andreas Stockinger/DER STANDARD/Automobil/12.3.2010)

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