Berlin - Das EZB-Ratsmitglied Christian Noyer hat sich mit konkreten Vorschlägen für europäische Ratingagenturen zu Wort gemeldet. Kreditversicherer wie die Allianz-Tochter Euler Hermes oder auch die französische Coface bewerteten bereits die Qualität von Krediten, sagte der französische Notenbankchef dem "Handelsblatt" (Mittwoch-Ausgabe). "Sie könnten ihre eigenen Ratings vornehmen. Sie haben das Wissen, eine entsprechende Erfahrung, und sie müssen sogar bezahlen, wenn die Ratings falsch sind", sagte Noyer.

Für die Ratingagenturen seien klare Regeln nötig, forderte der Notenbanker. So dürfe es ihnen nicht erlaubt sein, die gleiche Ratingskala für strukturierte Finanzprodukte und klassische Wertpapiere wie Unternehmensanleihen zu verwenden. Außerdem müssten sie jeden Interessenkonflikt vermeiden, etwa wenn sie Banken bei der Strukturierung ihrer Kredite berieten. "Und wir brauchen Regeln für den Zeitpunkt von Ratingentscheidungen und ihre Kommunikation", forderte Noyer. In der EU treten zum Jahresende erstmals Aufsichtsregeln für die bisher keiner Kontrolle unterliegenden Bonitätswächter in Kraft.

Die von angloamerikanischen Geschäftsmodellen geprägten Agenturen S&P, Moody's und Fitch sind wegen ihrer Rolle in der Finanzkrise umstritten. Zudem ist in der Schuldenkrise Kritik am Zeitpunkt der Herabstufung der Bonität von Staaten durch die Agenturen laut geworden. So hatte Fitch jüngst den Daumen über Spanien kurz nach Verabschiedung eines Sparprogramms gesenkt und das überschuldete Land damit an den Märkten weiter unter Druck gebracht.

Dass Notenbanken in Wettbewerb mit Ratingagenturen treten sollten, hält Noyer für keine gute Idee. "Es ist immer kritisch, wenn öffentliche Institutionen mit privaten Unternehmen konkurrieren", sagte der französische Notenbanker. (APA/Reuters)