Dass man sich in Italien so fühlt, als ob einem "mindestens 700 Engel in die Nasenlöcher fliegen" würden, schrieb Nikolai Gogol im Jahr 1838 aus Rom. Die italienische Luft ließ und lässt nicht nur bei Gourmets und Gourmands wie Gogol die Schmetterlinge im Hirn tanzen, sondern, glaubt man einer Umfrage unter italienischen Bürgermeistern, auch bei Otto Normaltourist und seiner Lebensabschnittspartnerin. 45 Prozent der befragten Stadtväter geben an, ihre Bürger und Bürgerinnen würden unter den nächtlichen Eskapaden der ausländischen Gäste leiden, die - so 67 Prozent - noch dazu völlig unmöglich, sprich: meist viel zu knapp, angezogen sind. Besoffen sind sie auch oft und pflegen die von ihnen besuchten Städte mit Vergnügungsparks zu verwechseln.

Dennoch sagt ein knappes Drittel der Bürgermeister, dass Touristen und Touristinnen in ihren Gemeinden gerne gesehen seien. Aber für immerhin ein Viertel überwiegen die Leiden an ihnen die Freuden.

Wir wissen, dass Bürgermeister städtischer Reiseziele in aller Welt ihren italienischen Kollegen zustimmen würden. Und es scheint - zumindest in unserer sogenannten ersten Welt - eine Frage der Reziprozität zu sein: Ich führe mich bei dir auf, du bei mir. Was es ist, dass sich im Inland reichlich fade und kreuzbrave Leute im Ausland gerne in extrovertierte Halbwilde verwandeln, ist indes noch immer nicht genügend soziologisch erforscht. (guha/DER STANDARD, Printausgabe, 2. Juni 2010)