Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel will einen "Polit-Profi" , den auch die Opposition akzeptiert.
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Keine Geste, kein kleiner Hinweis, kein kurzes Statement. Wortlos verlassen FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle sowie Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer am Dienstagnachmittag das Berliner Kanzleramt. Zum Krisengespräch mit Hausherrin Angela Merkel waren die beiden einige Stunden zuvor gekommen. Thema der Unterredung, nebst Sparpaket und Krise des Euro: Wer soll, wer kann jetzt Staatsoberhaupt werden, nachdem sich Horst Köhler wegen Kritik an seinen Äußerungen zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zurückgezogen hat.
Die schwarz-gelbe Koalition steht enorm unter Druck. Der von der Verfassung vorgegebene Zeitplan erlaubt kein monatelanges Taktieren und Sondieren. Zudem sind die Anforderungen hoch. Nach dem Schock, den "Null-Bock-Horst" (Süddeutsche Zeitung) auslöste, wird in Berlin der Ruf nach einem Profi immer lauter. Allgemeiner Tenor: Bitte diesmal keinen Quereinsteiger, sondern jemanden, der den Polit-Betrieb kennt und Kritik aushält.
Eine erste Stellenbeschreibung hat Merkel bereits gegeben. Da das Amt ein "nicht-konfrontatives" sei, favorisiere sie eine Persönlichkeit, die "eine Chance hat, von allen akzeptiert zu werden" . Dies war 1984 und 1989 der Fall. Beide Male verzichtete die oppositionelle SPD auf einen Gegenkandidaten, als CDU und CSU Richard von Weizsäcker ins Rennen um das höchste Amt schickten.
Merkel plant daher, auch SPD-Chef Sigmar Gabriel in die Präsidentensuche einzubinden. Die SPD jedoch lässt bereits durchblicken, sie sei durchaus bereit, auch einen eigenen Kandidaten aufzustellen - möglicherweise könnte es einen gemeinsamen rot-grünen Kandidaten geben. Als Favoriten genannt werden der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).
Von der Leyen hoch im Kurs
Doch zunächst ist Schwarz-Gelb in der Pflicht. "Wir werden in den nächsten Tagen eine qualifizierte Persönlichkeit suchen, aus der aktiven Politik heraus" , sagt Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU). Das Kandidatenkarussell rotiert derweil schon fröhlich. Hoch im Kurs dürfte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stehen. Sie ist eine Vertraute von Merkel. Zudem hat sie sich als Familienministerin (2005 bis 2009) sehr für den Ausbau von Kindergärten eingesetzt, weshalb sie bei den Sozialdemokraten ebenfalls Sympathien genießt.
Immer wieder wird Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) genannt. Er ist der Minister mit der meisten politischen Erfahrung. Doch gegen ihn sprechen auch einige Gründe. Gerade jetzt, wo Deutschland hart sparen und seine Budgetkrise bewältigen muss, wäre es unvernünftig, den Finanzminister auszuwechseln. Zudem war Schäuble schon bei der Bundespräsidenten-Wahl 2004 nicht Merkels Favorit. Und sein Gesundheitszustand gibt immer wieder Anlass zur Sorge. Unwahrscheinlich ist, dass man sich auf einen Kandidaten aus den Reihen der FDP einigt. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.6.2010)