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Frankfurt/Wien - Am Montag war Börsenpause in London und New York, am Dienstag wurden daher ausgebliebene Verkäufe offenbar nachgeholt. Die Devise lautete offenbar, alles auf den Markt werfen, was mit Euro zu tun hat: Europäische Aktien brachen ebenso ein wie der Euro und die Kurse von Staatsanleihen mäßig vertrauenswürdiger Schuldner. Am Nachmittag verbesserte sich die Stimmung dann merklich, vor allem der Euro fand Unterstützung.

Als ein Grund für die anfängliche Verunsicherung wurden Schätzungen der Europäischen Zentralbank über weitere Abschreibungen der Banken genannt. Nach ihren Schätzungen haben Banken in der Eurozone insgesamt noch rund 195 Milliarden Euro auf faule Kredite abzuschreiben. "Bei solchen Nachrichten kommt nicht wirklich Stimmung auf", sagte ein Börsianer. Die von der spanischen Sparkasse Caja Madrid benötigten Staatshilfen erhöhten die Nervosität.

In Folge rutschte die Gemeinschaftswährung um zwei US-Cent auf ein Vier-Jahres-Tief von 1,2112 Dollar. Angeheizt wurde die Lage durch das grassierende Schulden-Virus. Weil Investoren aus Angst vor einem Kollaps reihenweise Staatsanleihen auf den Markt warfen, verloren die Papiere Spaniens, Italiens aber auch Frankreichs deutlich an Wert. In Paris sorgt man sich zunehmen vor einem Verlust der Top-Bonitätsnote AAA. Die Kosten für eine Ausfallversicherung auf Staatsanleihen, so genannte Credit Default Swaps (CDS), schossen spiegelbildlich in die Höhe. Die Prämien für italienische Anleihen erreichten sogar einen neuen Rekordwert. Wer die Papiere im Wert von einer Mio. Euro versichern will, muss dafür 25.000 Euro hinblättern, am Montag waren es noch 20.000 Euro.

Ebenfalls die Marktstimmung drückte China, wo sich die Industriekonjunktur verlangsamt. Die aus Angst vor einer wirtschaftlichen Überhitzung gestraffte Geldpolitik führe zu weniger Aufträgen im verarbeitenden Gewerbe, so der Tenor einer Erhebung.

Dass der Dienstag an den Börsen versöhnlich ausklang, lag an US-Konjunkturdaten. Das Handelsministerium wies ein Plus der Bauausgaben zum Vormonat von 2,7 Prozent aus. Dies ist der stärkste monatliche Anstieg seit fast zehn Jahren.

US-Impulse

Das hat nicht nur den Aktienmärkten zu einem Umschwung verholfen, sondern auch dem Euro, der am späten Nachmittag auf knapp 1,23 Dollar hochschoss. Über die weitere Entwicklung am Währungsmarkt gibt es recht unterschiedliche Einschätzungen. "Wir sehen keinen Grund, den Euro zu kaufen", brachte Devisenstrategin Antje Praefcke die Marktstimmung auf den Punkt. "Fakt ist, dass kein Land um eine Budgetkonsolidierung herum kommt, der Unterschied liegt allerdings im jeweiligen Ausmaß der Einsparungen", erklärte Erste-Group-Analyst Rainer Singer. Die Reaktion des Marktes sei "sicherlich überzogen, aber nicht ganz unverständlich". Bis zum Jahresende erwartet Singer jedenfalls eine deutliche Erholung des Euro und einen Kurs von 1,35 bis 1,38 Dollar.

In Europa wird angesichts der laufenden Herabstufungen einzelner Staaten die Kritik an den Ratingagenturen immer lauter. EZB-Ratsmitglied Christian Noyer sagte am Dienstag auf einer Konferenz in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, die staatlichen Notenbanken seien zu sehr von den Einschätzungen der Agenturen abhängig. Dies sei "völlig unbefriedigend", sagte Noyer, der auch Chef der französischen Notenbank ist.

Rating-Debatte

Er warf den Ratingagenturen schwere Fehler bei der Einstufung staatlicher Anleihen zum Beispiel im Fall Griechenlands und weiterer europäischer Staaten vor. Die Europäische Kommission prüft derzeit schärfere Auflagen für die Anbieter. Nach einem Bericht des Handelsblatts will die Behörde dafür die geplante EU-Börsenaufsicht ESMA mit weitreichenden Ermittlungsbefugnissen ausstatten, um Ratingagenturen leichter kontrollieren zu können. So solle die Behörde das Recht erhalten, bei Verdacht auf Regelverstöße Geschäftsräume zu durchsuchen, Unterlagen aller Art anzufordern und Verdächtige zu verhören. Bei Verstößen sollen die Agenturen mit Geldstrafen sanktionierte werden. (bpf, as, red, DER STANDARD, Printausgabe, 2.6.2010)