Rochester/Wien - Wissenschaftern der University of Rochester ist es möglicherweise gelungen, eine physiologische Erklärung für die schmerzreduzierende Wirkung von Akupunktur zu identifizieren. Im Versuch mit Mäusen zeigte sich, dass die Einstiche eine körpereigene Substanz aktivieren, die unter anderem im Immunsystem und bei der Schmerzunterdrückung eine Rolle spielt.
Bei den Tests konnte dieser Effekt durch einen gängigen Wirkstoff der bei der Krebstherapie eingesetzt wird, zusätzlich verstärkt werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Fachzeitschrift Nature Neuroscience veröffentlicht.
Schon zuvor waren neben dem Placebo-Effekt auch echte schmerzlindernde Veränderungen in Hirn, Rückenmark oder Peripherie nachweisbar gewesen. Diese wurden vor allem auf die Ausschüttung körpereigener Opiate, sogenannte Endomorphine zurückgeführt. Die neuen Ergebnisse beschreiben jedoch einen noch kaum diskutierten Mechanismus.
Das Molekül, auf das sich die US-Forscher nun konzentrierten, heißt Adenosin. Bisher weiß man, dass diese natürliche Verbindung den Blutdruck durch eine Blutgefäß-Weitung sinken lässt und die Herzfrequenz verringert. Zudem fördert es Schlaf, hemmt Entzündungen und verhindert Nervensignale, die etwa bei einer Hautverletzung aktiv werden und Schmerz auslösen. Mit den aktuellen Versuchen konnte gezeigt werden, dass die Substanz auch in jenen tieferen Hautschichten aktiv ist, in die Akupunkturnadeln eindringen.
24-facher Adenosinspiegel
Getestet wurde dies an Mäusen mit einer schmerzenden Pfote. Die Forscher um Jürgen B. Schnermann und Maiken Nedergaard behandelten die Tiere 30 Minuten lang mit Akupunktur, genau wie beim Menschen mit regelmäßiger Drehung der Nadeln. Unmittelbar danach konnte eine lokale Erhöhung des Adenosin-Niveaus im Gewebe auf das 24-fache festgestellt werden und Verhaltenstests zeigten, dass die Mäuse um zwei Drittel weniger Schmerz litten. Die Linderung trat auch dann ein, wenn Adenosin ohne Nadelstiche aktiviert wurde.
Weitere Erkenntnisse zu Adenosin lieferten Vergleichstests mit sogenannten Knock-out-Mäusen, denen das Gen für einen Rezeptor namens A1 aus dem Erbgut entfernt hatte. Bei diesen Tieren hatte die Therapie keine Wirkung - was die Forscher darauf schließen ließ, dass Adenosin erst durch die Bindung an diesen Rezeptor Schmerzen lindert. Zudem gelang es, durch den Adenosin-Abbauhemmer Deoxycoformycin, ein in der Leukämiebehandlung eingesetzter Antimetabolit, den Effekt der Akupunktur auf das Dreifache zu verlängern. (red/pte)