Wien - Österreichs Kardiologen mahnen mehr als eindringlich: Die in manchen Bundesländern betriebene Politik der Schaffung von immer mehr Herzkatheter-Akut-Labors bringt eine höhere Komplikationsrate für Infarktpatienten mit sich. Die von Krankenhäusern und Krankenkassen geförderte Verschreibung von Nachahmepräparaten des Blutgerinnungshemmers Clopidogrel für Hochrisiko-Patienten nach Stent-Implantation ist wissenschaftlich nicht gedeckt. Dies erklärten führende Experten am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Die Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG) hält in den kommenden Tagen ihren Jahreskongress in Salzburg ab. Dort werden buchstäblich "heißeste" Fragen in der Versorgung der österreichischen Herzpatienten diskutiert, darunter die Versorgung von Kranken nach akutem Infarkt.

Kritisch könnte es durch den Kostendruck im Gesundheitswesen für Patienten nach Infarkt und Implantierung einer Gefäßstütze (Stent) werden. Damit es möglichst nicht zu einer akuten Thrombose in dem Koronargefäß kommt, das durch den Stent offen gehalten wird, erhielten die Kranken bisher niedrig dosierte Acetylsalicylsäure und den zweiten Blutgerinnungshemmer Clopidogrel. Doch mit 1. Jänner kamen hier Nachahmepräparate auf den Markt, die billiger sind.

Hoher ökonomischer Druck

Fazit laut Franz Weidinger, Vorstand der kardiologischen Abteilung an der Wiener Rudolfstifitung: "Wir haben rasch den Druck gesehen, die Clopidogrel-Generika zu verschreiben." Dieser ökonomische Druck sei sowohl im Krankenhaus als auch in der niedergelassenen Praxis durch die Krankenkassen ausgeübt worden. Die Crux dabei: Um das ursprüngliche Patent zu umgehen, bestehen die Nachahmepräparate nicht aus aus Clopidogrel-Hydrogensulfat (Original), sondern haben als Wirkstoffe andere Salze der Substanz - Clopidogrel-Besilat oder Clopidogrel-Hydrogenchlorid.

Der Experte: "Die Pharmakologen sehen kein Problem und gehen von Bioäquivalenz (gleiches Verhalten der Substanzen im Körper, Anm.) aus. Aber für die Generika gibt es keine klinischen Daten. Wir haben großes Vertrauen in das Originalpräprat, was die Verhinderung von Stent-Thrombosen betrifft. Ob das mit den neuen Salzen auch der Fall ist, weiß niemand." Die Generika hätten für diese Verwendung auch keine Zulassung. Druck auf die Ärzte zur Verschreibung der Nachahme-Präparate für dieses Anwendungsgebiet sei auch deshalb so unangenehm, weil im Ernstfall sogar rechtliche Konsequenzen für die Mediziner drohen könnten.

Das Problem ist mehrfach brisant: Immerhin geht man von eine Stent-Thrombose-Rate von - je nach Patientengruppe - von 0,6 bis drei Prozent und Jahr aus. 30 bis 40 Prozent dieser Zwischenfälle enden mit dem Tod des Betroffenen. In Österreich werden pro Jahr rund 18.000 Herzkranke mit solchen Gefäßstützen versorgt. Etwa 100.000 "Stent-Träger" dürften betroffen sein. Das originale Clopidogrel wurde übrigens mit Auftauchen der Generika vom Hersteller bereits um 50 Prozent verbilligt, was den Kostendruck reduzieren sollte. Mit Prasugrel steht allerdings seit kurzem eine noch besser wirksame neue Substanz zur Verfügung. (APA)