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Horst Köhler mit Gattin Eva Luise bei der Verlesung seiner Rücktrittserklärung

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler ist wegen der Debatte um seine umstrittenen Aussagen über Deutschlands Auslandseinsatz in Afghanistan zurück getreten. Er hatte einen Zusammenhang zwischen dem militärischen Engagement und den wirtschaftlichen Interessen seines Landes hergestellt. Köhler sagte in einem Interview des Deutschlandradio Kultur am 22. Mai nach einem Besuch bei deutschen Soldaten in Afghanistan:

"Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg."

Auf die Frage: "Muss sich Deutschland daran gewöhnen, dass Soldaten, die in einem bewaffneten Konflikt stehen - manche nennen es einen Krieg - auch tot aus dem Einsatz nach Deutschland zurückkommen?" antwortete Köhler:

"Wir haben ja leider diese traurige Erfahrung gemacht, dass Soldaten gefallen sind, und niemand kann ausschließen, dass wir auch weitere Verluste irgendwann beklagen müssen. Ich habe mich davon überzeugen können in Masar-i-Scharif, dass von der militärischen Führung wirklich jede Professionalität und Gewissenhaftigkeit sowohl in der Frage der Ausbildung als auch der Ausrüstungsbedürfnisse vorhanden ist. Aber es wird wieder Todesfälle geben, nicht nur bei Soldaten, möglicherweise auch durch Unfall mal bei zivilen Aufbauhelfern. Das ist die Realität unseres Lebens heute, wo wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen: Es gibt Konflikte. Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine am Ende Interessen wahren.

Mir fällt das schwer, das so zu sagen, aber ich halte es für unvermeidlich, dass wir dieser Realität ins Auge blicken. Deshalb halte ich es auch nach der Diskussion über den Begriff Krieg oder kriegsähnlichen Zustand oder bewaffneter Konflikt für ganz normal, wenn die Soldaten in Afghanistan von Krieg sprechen, und ich habe es auch für normal gehalten, dass ich auch in dem Gespräch mit ihnen dann nicht eine verkünstelte andere Formulierung gewählt habe."

Köhlers Rücktrittserklärung im Wortlaut:

"Meine Äußerungen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr am 22. Mai dieses Jahres sind auf heftige Kritik gestoßen. Ich bedauere, dass meine Äußerungen in einer für unsere Nation wichtigen und schwierigen Frage zu Missverständnissen führen konnten. Die Kritik geht aber so weit, mir zu unterstellen, ich befürwortete Einsätze der Bundeswehr die vom Grundgesetz nicht gedeckt wären. Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen.

Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten - mit sofortiger Wirkung. Ich danke den vielen Menschen in Deutschland, die mir Vertrauen entgegengebracht und meine Arbeit unterstützt haben. Ich bitte sie um Verständnis für meine Entscheidung.

Verfassungsgemäß werden nun die Befugnisse des Bundespräsidenten durch den Präsidenten des Bundesrates wahrgenommen. Ich habe Herrn Bürgermeister Böhrnsen über meine Entscheidung telefonisch unterrichtet, desgleichen den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages, die Frau Bundeskanzlerin, den Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und den Herrn Vizekanzler. Es war mir eine Ehre, Deutschland als Bundespräsident zu dienen."

(red, derStandard.at, 31.5.2010)