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Orban am Samstag in Budapest: "Hier auf dem Kossuth-Platz bin ich einer von Ihnen, einer von Euch, die stets daran glaubten, dass wir Ungarn in der Lage sein werden, endgültig mit der kommunistischen Vergangenheit und deren Erbe zu brechen"

Foto: APA/EPA/ZSOLT SZIGETVARY

Budapest - Der Rechtskonservative Viktor Orban hat heute, Samstag, die ungarische Regierung übernommen. Nachdem er vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, legte er im Budapester Parlament den Amtseid ab. Orbans Partei Fidesz-MPSZ hatte im April die Parlamentswahl mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewonnen. Die Amtszeit der Experten-Regierung von Gordon Bajnai geht damit zu Ende. Orban war bereits von 1998 bis 2002 Ministerpräsident in Ungarn.

Orban bekam im Parlament 261 Ja-Stimmen, 107 Abgeordnete stimmten mit Nein. Unterstützung bekam Orban nicht nur von seinem Bund Junger Demokraten (Fidesz-MPSZ), sondern auch von 36 Abgeordneten der mitregierenden Christdemokraten (KDNP). Mit Nein votierten 54 sozialistische Abgeordnete (MSZP), 40 Politiker der rechtsradikalen Jobbik-Partei und 13 Abgeordnete der grünen LMP. 18 Angeordnete blieben der Abstimmung fern.

Meinungsunterschiede bei Regierungsprogramm

In der Debatte über sein neues Regierungsprogramm gab es schwerwiegende Meinungsunterschiede. Unter anderen darüber, ob in den Wahlkabinen im April "eine Revolution stattgefunden hätte", wie Orban meint. Er kündigte eine neue Verfassung an. Ein eigens gegründeter Ausschuss soll die tatsächliche Lage im Land aufnehmen und in den kommenden Wochen erste Ergebnisse präsentieren. Danach könnten die anstehenden Aufgaben zur Schaffung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie Ankurbelung der Wirtschaft konkretisiert werden, sagte Orban seinen Kritikern in der Opposition, die das Fehlen konkreter Ziele und Zahlen im Regierungsprogramm bemängelten.

Die ungarischen Sozialisten (MSZP) dankten unterdessen dem scheidenden Ministerpräsidenten Bajnai für sein Krisenmanagement. Ungarn sei "heute stärker, während die Wirtschaft erneut wächst und die Menschen in größerer Sicherheit leben", heißt es in einer Aussendung der MSZP-Parlamentsfraktion. Das Krisenmanagement habe sich als erfolgreich erwiesen, sodass Ungarn heute innerhalb der Europäischen Union über eines der niedrigsten Defizite verfüge, während die Landeswährung Forint stärker werde und das Wirtschaftswachstum in der Region einen der höchsten Werte aufwiese. MSZP-Fraktionschef Attila Mesterhazy warnte die neue Regierung aber, dass diese die erreichten Ergebnisse "nicht zerstört, sondern das Land auf der Grundlage dieser Ergebnisse weiter führt".

Mit Orban und seinem Programm wurde auch das aus nur acht Ministern bestehende Kabinett bestätigt. Staatspräsident Laszlo Solyom ernannt die Minister am Samstagnachmittag. Zum ersten Mal seit der Wende amtiert damit in Budapest ein Kabinett mit einer gesicherten parlamentarischen Mehrheit, dem keine Koalition zugrunde liegt. Bisher waren alle Regierungen in Ungarn entweder Koalitions- oder Minderheitsregierungen.

"Tag des Neubeginns"

Bei einer Großveranstaltung auf dem Budapester Kossuth-Platz, die unter dem Motto "Tag des Neubeginns" stand, betonte Orban: "Hier auf dem Kossuth-Platz bin ich einer von Ihnen, einer von Euch, die stets daran glaubten, dass wir Ungarn in der Lage sein werden, endgültig mit der kommunistischen Vergangenheit und deren Erbe zu brechen". Sympathisanten aus dem ganzen Land waren angereist, auf dem Platz wehten ungarische Nationalfahnen und rot-weiß-gestreifte Arpad-Fahnen, ein Symbol der ungarischen faschistischen Pfeilkreuzler.

Große Aufgaben würden warten, "um unsere in die Knie gegangene Heimat wieder aufzurichten und zu einem starken, angesehenen Land zu formen". Als "schnellen Erfolg" vor dem Amtsantritt seiner Regierung bezeichnete Orban, den bisher "größten Schritt in Richtung grenzüberschreitende Neuvereinigung der Nation" unternommen zu haben, womit er auf das Gesetz zur Vergabe der Doppelstaatsbürgerschaft für Auslandsungarn anspielte, das zu diplomatischen Spannungen mit der Slowakei geführt hatte. (APA)