Foto: Maria Ziegelböck
Foto: Maria Ziegelböck

Nacht- sowie Innen- und Detailansichten des österreichischen Pavillons in Shanghai: ein von span architects in Zusammenarbeit mit Arkan Zeytinoglu entwickeltes Gebäude.

Foto: Maria Ziegelböck

Ansichtssache: >>> Pavillons in Shanghai

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Die Niederländer haben kapiert, wie's geht. Sie sind die einzige Nation auf der ganzen Expo, die den Mumm hat, sich am Krawattl zu nehmen und sich eigenhändig durch den Kakao zu ziehen. Geboten wird ein Pavillon mit Lachgarantie, eine köstliche, dreidimensionale Karikatur der holländischen Seele. 28 Miniaturhäuser - vom Barockpalais übers Bauhaus bis zum Glashaus voller Plastiktulpen - sind entlang einer 400 Meter langen, serpentinenartig aufgewickelten "Happy Street" aufgereiht und gewähren Einblick in witzige, bisweilen abstruse Beiträge aus den Bereichen Landwirtschaft, Kunst und Industrie.

Ein kleiner globaler Zeigefingerwink darf nicht fehlen: Eine Kuh sitzt in einem Haus im ersten Stock fest und presst Gouda-Laibe aus dem Euter - direkt ins Käseregal. Andernorts sieht man eine Tankstelle mit Zapfsäulen, aus denen man kostbares und sündhaft teures Trinkwasser entnehmen kann. Und als wäre das alles nicht genug, ist quer über die Parzelle ein grüner Kunstrasen ausgebreitet, auf dem 200 synthetische Schafe weiden und den erschöpften Expo-Chinesen als Sitzskulptur und Rückenlehne dienen. Was für ein apokalyptisches Bild aus Plastik und PVC!

"Auf einer Expo muss man auffallen und provozieren" , sagt John Körmeling, Architektenvater des holländischen Hüttenspektakels. "Wenn man das Publikum nebenbei auch noch unterhalten und ihm die Möglichkeit zu einem gemütlichen Nickerchen zwischendurch bieten kann, dann hat man bereits gewonnen." Dutzende von Sonnenschirmen, in den landestypischen Farben direkt in die "Happy Street" gerammt, tun ihr Übriges. Der Stahl wird nach Ablauf der Weltausstellung übrigens an chinesische Bau- und Industriebetriebe weiterverkauft.

Nicht alles ist so clever konzipiert und gleichzeitig witzig wie der Beitrag aus dem Goudaland. Ganz im Gegenteil: Die Expo 2010, die heuer unter dem Motto "Better City, Better Life" steht, ist über weite Landstriche eine Show der Eitelkeiten, ein Rambazamba aus Pathos und Pein. Mit 5,3 Quadratkilometern Fläche, 192 teilnehmenden Nationen und weiteren 50 internationalen Organisationen ist sie die größte Weltausstellung aller Zeiten. Sogar eine neue U-Bahn-Linie mit drei Stationen, die das Expo-Gelände unterfährt, wollte man sich bei der 43 Milliarden teuren Veranstaltung in der Megametropole Schanghai nicht nehmen lassen.

Die Mentalität der Gastgeber zeigt sich in ihrem eigenen Pavillon: Während die Bauhöhe für sämtliche Länderpavillons mit 20 Metern streng limitiert war, erwächst die chinesische Pagode bis zu einer Höhe von alles überragenden 69 Metern empor. Die Inhalte des zwölfstöckigen Wahrzeichens umfassen Pferdeparaden in Glitzer und Glamour, eine sich an Lichtstärke überbietende Muskelschau der einzelnen Provinzen sowie einen schmalzig triefenden Film über die, na ja, grüne Zukunft im Reich der Mitte.

China will grün sein, irgendwie


Die Andeutungen bleiben vage: Statt konkreter Vorschläge zum Expo-Motto liefern die Chinesen bloß kitschige, in den Film nachträglich hineinaquarellierte Symbolik. Begleitet von Trommelwirbel und Panflötengedudel beginnen Peking, Schanghai und Chongqing plötzlich zu sprießen und verschwinden am Ende in einem Blättermeer aus Zeichentrick und Gigantomanie. Kraniche, Sternenhimmel und Applaus.

Von besserer Stadt und besserem Leben keine Spur - zumindest nicht in der kaiserlich rot gestrichenen, sogenannten "Krone des Orients" , wie der Entwurf des chinesischen Architekten He Jingtang heißt. Ökologisch sind einzig und allein die Elektromobile, mit denen man um 10 Yuan (rund 1,20 Euro) geräuschlos übers Expo-Gelände chauffiert werden kann. Auch die Omnibusse fahren mit Strom. Ob die grüne Technologie jemals auf die Stadt außerhalb der Expo-Tore umgelegt wird, erfährt man allerdings nicht.

Man fährt vorbei an Thailand, Libyen und Usbekistan. Folklore und Touristik drücken sich die Klinke in die Hand. Besonders schlimm hat's die USA erwischt, die sich von den Weltausstellungen der letzten Jahre kategorisch distanziert hatten. Es wäre besser gewesen, hätte Amerika auch diesmal erfolgreich an seinem Prinzip festgehalten: Gezeigt werden etwa Impressionen aus Las Vegas, die einzelnen Themenbeiträge hingegen sind gesponsert und dienen als Werbefläche für Visa, Motorola, American Airlines und Co.

Das kleine Europa erscheint dagegen als Segen: Die Schweiz entführt auf eine humorvolle Fahrt mit dem Sessellift hinaus aufs grüne Dächermeer. Die müde herunterbaumelnden Füße streifen Dotterblumen und Löwenzahn. Großbritannien hält fest, was festzuhalten ist, und stellt eine sogenannte Samenkathedrale ins Gelände. In den 60.000 Acrylstäben, die sanft im Wind wippen und in außerirdischer Schönheit erstrahlen, sind Samenkapseln aus dem Kunming Institute of Botany eingegossen; es ist die größte Samenbank der Welt. Und Spanien platziert in seinem weithin duftenden Pavillon aus Weiden und Bast ein entrisch anmutendes, sieben Meter großes Riesenbaby namens Miguelín. Das sitzt.

Brückenschlag aus Porzellan

Österreich punktet mit dem wohl geschmeidigsten Pavillon aller Zeiten. Das von span architects in Zusammenarbeit mit Arkan Zeytinoglu entwickelte Gebäude (Baukosten fünf Millionen Euro) ist eine wunderbare Skulptur aus dem Windkanal, umhüllt von 10 Millionen weißen und roten Fliesen aus Porzellan. "Das ist ein gewisser Brückenschlag zwischen Österreich und China" , sagen Sandra Manninger und Matias del Campo. "In China gibt es von jeher eine große Porzellankultur, in Österreich wiederum steht die zweitälteste Porzellanmanufaktur Europas."

Kalt und warm gibt sich der futuristische Bau dann innen: Mal können Schneebälle an die Wand geworfen werden, mal gibt's Geigenquartett und zeitgenössisches Ballett. Es sind traditionelle Klischees, die hier bedient werden, doch die Performance ist erstklassig - ein kurzer Genuss im internationalen Tumult. "Wenn Chinesen zu Österreich befragt werden, dann denken sie als Erstes an Musik" , erklärt die österreichische Expo-Kommissärin Birgit Murr. "Wir haben die Erwartungen der Leute mit neuen Elementen wie etwa elektronischer Musik in Beziehung gesetzt." 1200 Besucher pro Stunde werden gezählt. Der Erfolg spricht für sich.

Die Expo Schanghai ist noch bis 31. Oktober geöffnet. Danach werden die Pavillons, für deren Bau rund 270 Betriebe und 20.000 bestehende Haushalte delogiert werden mussten, wieder abgebaut. Das wertvolle Bauland soll gewinnbringend veräußert und in ein modernes Wohnviertel verwandelt werden. Der chinesische Pavillon aber, der bleibt. (Wojciech Czaja, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 29./30.05.2010)