Vizekanzler Josef Pröll feierte mit jungen Israelis ein "Red-White-Clubbing" in der Residenz des österreichischen Botschafters in Israel, Michael Rendi (re.).

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Jerusalem - Mirjam findet es ätzend, Jüdin zu sein. Sie empfindet das als eine permanente Bedrohung, als eine Geschichte der Vertreibung und Verfolgung, beginnend bei ihren Großeltern und Eltern, anhaltend bis heute. Der "Konflikt", den die Israelis mit den Palästinensern austragen, ist für sie eine ganz persönliche Bedrohung. "Ich möchte sicher sein", sagt sie, und das kann sie nicht. "Israel ist in einem schlechten Zustand", ist ihre Meinung. Sie spricht von Terror und von Krieg. Die 17-Jährige ist Schülerin im Herzliya-Hebrew-Gymnasium in Tel Aviv. Heute ist Josef Pröll zu Gast, Finanzminister und Vizekanzler in Österreich. "Was tun Sie, um Israel zu unterstützen, um uns zu helfen?", fragt Mirjam den Politiker aus Österreich, und damit ist auch gleich ein anderes Thema auf dem Tisch: der Iran. "Warum haben Sie wirtschaftliche Beziehungen mit dem Iran?", setzt ein anderer Schüler nach.

"Wir haben den Kontakt mit dem Iran gestoppt", erklärt Pröll, die wirtschaftlichen Beziehungen seien eingefroren, "und wir unterstützen voll die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen den Iran". Das klingt ein wenig hilflos.

Die Sanktionen sind den Jugendlichen hier kein Trost. "Die Uno diskutiert nur", beklagt Mirjam, "aber sie unternimmt nichts. Es ist frustrierend, wenn man auf die Uno vertrauen und sich auf Sanktionen verlassen muss." "Die Sanktionen sind zu schwach", sagt ein anderer, "der Iran baut die Bombe. Dann ist alles zu spät."

Die Schüler hier haben fast alle Wurzeln in Europa, und sie arbeiten an einem Projekt, das sich Centropa nennt. Alte Erinnerungen werden über neue Medien aufbereitet. Im Internet sind die Geschichten von Juden zu hören, sehr persönliche Geschichten, Geschichten von Leid und Verzweiflung, von Vertreibung und Ermordung. Aber auch Geschichten voller Liebe, von der Heimat. Wie jene von Kitty und Otto Schuschny aus Wien, die heute hier in der Aula gezeigt wird. Wie der Holocaust in Österreichs Schulen vermittelt wird, warum in Ungarn die Rassisten wieder so stark sind, möchten die Schüler von Pröll wissen, die Frage nach der FPÖ bleibt ihm diesmal erspart.

Bildungsreise mit Papa

Pröll erzählt von seinem Besuch in Yad Vashem, der Holocaust-Gedenkstätte bei Jerusalem. Auch Lehrer aus Österreich würden diese Gedenkstätte besuchen, die Vermittlung des Holocaust ist fixer Bestandteil des Unterrichts, Schüler besuchen ehemalige Konzentrationslager. "Und das ist Alexander", sagt Pröll dann, "mein Sohn, er begleitet mich." Wie zur Erklärung. Der 20-Jährige hatte vor wenigen Tagen Geburtstag, Josef Pröll hat Alexander die Flugtickets gezahlt und ihn nach Israel eingeladen.

Jetzt ist der Papa wieder ganz Politiker: Gegen Rassismus helfe nur bessere Politik, das beste Programm gegen Extremisten sei die Integration der Migranten - und das Geschichtenerzählen. "Wie hier", sagt Pröll, wie die Geschichte der Schuschnys aus Wien, "wie eure Geschichten", sagt Pröll und richtet sich an die Jugendlichen, "auch ihr habt Geschichten".

Der Abend zuvor war lauschig und ebenfalls der Jugend gewidmet. Es gab in der Residenz des österreichischen Botschafters in Tel Aviv ein Clubbing, nicht das angesagteste der Stadt, aber immerhin ein Clubbing, und es kamen junge Menschen. Die österreichische Botschaft in Israel ist die einzige diplomatische Vertretung im Land, die sich so etwas zutraut, und Botschafter Michael Reindi bewegt sich ganz selbstverständlich unter den jungen Leuten, er ist diesmal ohne Krawatte und Anzug unterwegs, trägt Jeans, hat die Hemdsärmeln aufgekrempelt, und die befreundeten Diplomaten, die Botschafter aus Ungarn, aus Deutschland, aus Tschechien staunen. Auch der Vizekanzler tut sein Bestes, um cool rüberzukommen, die jungen Israelis haben kaum Berührungsängste, es wird geplaudert und politisiert, man muss ja nicht einer Meinung sein. "Sie sind sehr sympathisch", sagt ein junger Mann zu Pröll, "ganz ehrlich, aber wählen würde ich Sie nicht". Die politischen Ansichten gehen auseinander, es muss ja keine Werbeveranstaltung für die Volkspartei sein.

Wie sehr Pröll von dieser Reise beeindruckt ist, zeigt sich beim Besuch bei der Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel, da versagt ihm kurz die Stimme, "es waren eindruckvollste Tage, es waren intensive Tage", sagt Pröll, "ich kann nicht so lange reden, weil ich sehr bewegt bin". (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 28.5.2010)