Gotan Project: Tango 3.0 (Iya Basta! / Trost)

Foto: Trost

Kann man im Club ebenso kredenzen wie zum Nudel-Dinner.

Sein letztes Projekt fiel ja leider durch. Philippe Cohen-Solal, bekannt geworden mit dem Gotan Project, veröffentlichte 2007 das Album "Moonshine Sessions". Darauf begab er sich aufs Country-Terrain, dem er mittels einer atmosphärereichen Produktion einen sanften Groove angedeihen ließ, wie man ihn vom Gotan Project her kennt. Es knisterte am Lagerfeuer, eine Abba-Nummer wurde in die Prärie entlassen, sogar die Reform-Country-Band Lambchop verblasste neben diesen Sessions. Aber Country ist ein schwieriges Fach, wird hierzulande meist in der Kurhalle Oberlaa oder bei Zeltfesten von Waterloo oder Truckern ohne Führerschein exekutiert, also tendenziell missverstanden. Country mit Hirn? Noch schwieriger.

Gleichzeitig wollte das etablierte Gotan-Project-Publikum bei dem Ausritt in Richtung feinfühliges Howdy! nur bedingt mit. Immerhin kommt das Gotan Project aus der schnöseligen Down-Tempo-Welle, die zu Beginn der Nullerjahre begann, traditionelle Stile zu schnupfen. Bossa Nova war ein frühes Opfer, Jazz musste sich einiges gefallen lassen, ja, die schwedischen Eintagsfliegen Koop versuchten sogar Walzer in ihre geschmäcklerischen Ikea-Grooves einzubauen. Ja, Caffè-Latte-Musik für Schwachköpfe lag schwer im Trend.

Grace Jones revisited

Den Tango neumodern zu deuten, lag da schon eher auf der Hand. Immerhin hatte zu Beginn der 1980er-Jahre bereits Grace Jones mit "I've Seen This Face Before (Libertango)", einer Version von Astor Piazzollas "Libertango", die Clubs im Sturm genommen. Das aus Paris stammende Gotan Project konnte da nicht viel falsch machen und landete mit seinem Album "La Revancha Del Tango" prompt einen internationalen Hit.

Neun Jahre und einige Alben später veröffentlichen die Gotaner nun "Tango 3.0" - und stürmen wieder die Charts. Im Wissen um die Zeitlosigkeit des Tangos und dessen emotionaler Ladung, machen sie nichts wirklich Neues, sondern updaten ihre Kunst einfach. Version 3.0. Das besitzt mit dem Abstand von ein paar Jahren betrachtet dann tatsächlich wieder Charme und behübscht soundtechnisch jedes Dinner über Fischstäbchen-Niveau. Spaghetti reichen schon, siehe Bild.

Kinderchöre machen sich in diesem Menü auch gut, also wurde für Rayuela gleich ein solcher in die Pflicht genommen, der den schwelgerischen Hörnern und den lässig geschnipselten Rhythmen zusätzliche Sympathien beschert. Den Rhythmus verpflanzen Cohen-Solal und Co immer noch zwischen Tango und eine großzügige Deutung von Dub, was jene subtile Eleganz garantiert, mit der die argentinische Tango-Quetsche bestens harmoniert. In all der fröhlichen Crossoverei können einem die Fellow Travelers einfallen, die Cohen-Solal eigentlich lieben müsste. Diese haben in den frühen 1990ern Country und Dub kurzgeschlossen, gingen also glatt als Missing Link zwischen den Gotanern und seinem Cohen-Solals Country-Projekt durch.

"Tango 3.0" geht mit Ennio-Morricone-Gitarre, erlesenen Gaststimmen und reichlich Luft zum Atmen sowie stellenweise kühl bohrenden Bässen rein und runter wie nur was. Und bei "Panamericana" schummelt Cohen-Solal sogar etwas Country auf das Album. (Karl Fluch/ DER STANDARD, Printausgabe, 28.5.2010)