Ab 1. Juni wird ein Teil von Österreichs PatientInnen zur Kasse gebeten werden, weil die Gespräche zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung gescheitert sind. derStandard.at fasst zusammen, was das für die Versicherten bedeutet.
Wer muss zahlen?
Leidtragende sind 410.000 Personen, die ausschließlich bei der Gewerbeversicherung (SVA) versichert sind und schon jetzt mit 20 Prozent Selbstbehalt belastet sind. Nicht betroffen sind freie Dienstnehmer, die bei anderen Kassen versichert sind. Die Betroffenen werden für die Behandlung bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Fachärzten selbst bar bezahlen müssen. Erst nachträglich können die Rechnungen bei der SVA eingereicht werden. Rückerstattet werden höchstens 80 Prozent der Rechnungssumme. De facto werden die Versicherten aber noch weniger zurückbekommen, denn die Ärztekammer hat ihre Tarifempfehlungen für den vertragslosen Zustand bereits um 20 Prozent heraufgeschraubt.
Welche Ärzte sind betroffen?
Die Änderung betrifft Behandlungen bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Fachärzten, nicht aber bei Zahnärzten, Physio-, Ergo- und Logotherapeuten, Instituten, Bandagisten und Apotheken. Auch Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind nicht betroffen.
Gibt es eine soziale Abfederung? Was, wenn ich mir die Behandlung nicht leisten kann?
Sozial Bedürftige, etwa Personen mit Rezeptgebührenbefreiung, bekommen immerhin 100 Prozent des alten SVA-Tarifs zurück. Wer sich das Vorauszahlen beim Arzt nicht leisten kann, kann in ein Ambulatorium mit SVA-Vertrag ausweichen, sich von der Versicherung einen direkt verrechnenden Arzt nennen lassen oder aber einen Arztkostenvorschuss von 200 Euro pro Quartal beantragen. Wer auch noch bei einer anderen Kasse versichert ist, hat Glück gehabt, die Abrechnung erfolgt dann direkt über diesen Versicherungsträger. Allerdings sind die Ambulatorien eigentlich nur für Notfälle gedacht - Es könnte passieren, dass man trotz Überweisung von der Ambulanz abgewiesen wird, weil es sich nicht um einen Notfall handelt, als etwa dann, wenn man lediglich eine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen will.
Gibt es Ärzte, die ihre Leistungen trotz vertragslosen Zustandes über die SVA abrechnen?
Die Ärzte können selbst entscheiden, ob sie weiterhin mit der SVA abrechnen möchten. Es ist keine vertragliche Festlegung dafür nötig. Die SVA empfiehlt deshalb, beim Arztbesuch nachzufragen, ob der jeweilige Arzt weiterhin mit der SVA zusammenarbeitet. Falls dem nicht so ist, wird auf Hotline 05 08 08 - 3000 verwiesen. Dort wird man informiert, wo man ärztliche Leistungen in der vertragsfreien Zeit beziehen kann, ohne selbst bezahlen zu müssen.
Eine öffentliche Liste mit Ärzten, die trotz vertraglosen Zustandes mit der SVA zusammenarbeiten, wurde entgegen ersten Ankündigen vorerst nicht veröffentlicht. Die SVA möchte die Daten vertraulich behandeln, denn die betroffenen Ärzte fürchten sich offenbar vor einem Ansturm.
Wenn ich keine Leistungen bekomme, kann ich dann einfach aus der Versicherung "aussteigen"?
Ein Ausstieg aus der Krankenversicherung ist für die Patienten nicht möglich. Sie müssen auf jeden Fall die vollen Versicherungsbeiträge weiter zahlen, auch wenn sie anteilsmäßig weniger als bisher zurückbekommen.
Wie lange wird der vertragslose Zustand andauern?
Das lässt sich schwer abschätzen. Die Ärztekammer rechnet jedenfalls mit einer sehr langen Dauer des vertragslosen Zustandes für die Versicherten der Sozialversicherung der Gewerbetreibenden. "Es würde mich wundern, wenn das noch in diesem Jahr vorbei wäre", sagte der stellvertretende Ärztekammer-Präsident Günther Wawrowsky am Mittwoch.
Gibt es für PatientInnen einen Ausweg aus dem Dilemma?
Die SVA macht jenen Ärzten, die sich nicht an die Vorgaben ihrer Kammer halten, ein Angebot, das die Situation der betroffenen PatientInnen verbessern würde. Wenn die Ärzte für die SVA-Versicherten die E-Card weiter annehmen, könnten sie damit ganz normal weiter abrechnen, als "Belohnung" gibt es eine Tariferhöhung um vier Prozent. Die PatientInnen sollten ihre Ärzte auf dieses "attraktive Angebot" hinweisen, so der stellvertretende SVA-Obmann.
Ich habe Fragen zu dem Thema, an wen kann ich mich wenden?
Die SVA hat unter 050808-3000 eine Telefonhotline eingerichtet, Informationen gibt es auch unter http://www.sicherzumarzt.at/. Die Ärztekammer vertritt ihre Positionen unter http://www.sva-vertragsfreie-zeit.at/. Außerdem gibt es eine Facebook-Gruppe von Betroffenen. (red, derStandard.at, 1.6.2010)