Die ÖBB fährt derzeit ohne schwarzen Waggon, die ÖVP hat sich abgekoppelt. Über den Brenner wird die rollende Landstraße mangels Finanzierbarkeit des Basistunnels weiter in Freiluft rollen. Der Tunnel ist langfristig nicht finanzierbar, gestand die Politik ein.

Foto: ÖBB

Streit tobt auch über die Finanzierung des Brennerbasistunnels.

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Innsbruck/Wien - Entgleisung in der ÖBB: In der Hauptversammlung der ÖBB-Holding am Mittwoch hat sich die ÖVP aus dem Unternehmen verabschiedet. Zur Verlängerung standen die Mandate der bisherigen acht Kapitalvertreter an, die ÖVP-Mandatare Franz Rauch (Fruchtsäfte) und Christian Teufl (Leipnik-Lundenburger Investment) haben ihre Nominierungen aber kurzfristig zurückgezogen.

In der ÖVP wird der Schritt so erklärt: Man wolle die roten Postenbesetzungen von Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) nicht mehr mittragen, sie widersetze sich notwendigen Sparmaßnahmen, zum Beispiel im ÖBB-Dienstrecht. Dass praktisch alle Finanzvorstände in den ÖBB-Teilkonzernen von der ÖVP gestellt werden, stört die Konservativen hingegen nicht.

Auch beim Autobahnbauer Asfinag mischt die ÖVP mit, statt Anwalt Eduard Saxinger wurde Industrie-General Markus Beyrer in den Aufsichtsrat gewählt. Ob er auch den Vorsitz von Saxinger übernimmt, ist aber offen, diese Entscheidung wurde vertagt.

ÖBB-Holding-Präsident ist wie erwartet weiterhin Ex-Porr-Chef Horst Pöchhacker, zugleich Vizepräsident der Asfinag. Der ÖBB-Holding-Aufsichtsrat hat mit Kurt Eder (OMV), Maria Kubitschek (AK), Herbert Kasser (Verkehrsministerium), Anwalt Leo Specht und Paul Blumenthal (Ex-SBB) nun nur sechs Kapitalvertreter.

Einer der Auslöser des Konflikts ist der 55 Kilometer lange Brennerbasistunnel (BBT) zwischen Innsbruck und Franzensfeste. Dessen Bau wackelt heftig, weil Bures die „langfristige Finanzierung" ab 2014 als „nicht gegeben" sieht. Das liegt auch daran, dass der BBT-Anteil des Bundes auf die ÖBB übertragen wurde und die ÖBB angesichts des krisenbedingten Frachteinbruchs Probleme hat, ihr eigenes Bauprogramm zu finanzieren. Letzteres will Bures um drei Milliarden Euro abspecken - dadurch würden die jährlich fälligen Annuitäten (Zinsen, Kapital direkt aus dem Budget) um 500 Mio. Euro sinken.

Fix ist die Verschiebung des mit der EU akkordierten BBT-Baubeginns noch nicht - die EU-Kommission hat für den BBT bis 2013 800 Mio. Euro bewilligt, den Rest der steigenden und aktuell auf 9,7 Milliarden taxierten Gesamtkosten müssen Österreich und Italien zu gleichen Teilen aufbringen.

Im Hintergrund des Streits um den BBT tobt auch ein Zwist zwischen Bund und Land Tirol. Verkehrsministerin Bures wollte von den Tirolern eine Kostenbeteiligung von 350 Mio. Euro, bekam von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) nach dessen Verhandlungen mit Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) im März aber nur 120 Mio. Euro in Aussicht gestellt. Die 350 Mio. Euro wären nach Rechnung der Tiroler Landesregierung rund zehn Prozent des Finanzierungsvolumens. Dieses beträgt nach Abzug des Österreich-Anteils, des EU-Gemeinschaftszuschusses und der Querfinanzierung durch die Autobahn (eine Milliarde) 3,4 Milliarden Euro.

Für Zündstoff ist also gesorgt, zumal das Land Tirol seinen 25-Prozent-Anteil am BBT an den Bund abgeben will. Dazu ist Bures nach Standard-Informationen aber nicht bereit. Ein Viertelanteil an der BBT-SE sei fast 2,5 Milliarden Euro wert, den lasse sich der Bund „nicht zum Nulltarif umhängen", wie aus dem Verkehrsministerium verlautet. Einen Brückenschlag versuchte der Chef der BBT-SE, Konrad Bergmeister. Er legte eine „reduzierte Variante" vor, bei der Österreich und Italien je 400 Mio. Euro sparen würden. Es beinhaltet eine Verzögerung von zwei bis drei Jahren, schreibt die Tiroler Tageszeitung.  (ung/DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2010)