Wien - Unter 44-04 geht bald nichts mehr. Hinter der Zahl verbirgt sich eine Norm für Autokindersitze. Und das Verkehrsministerium hat jüngst eine Gesetzesnovelle in Begutachtung geschickt, die den Verkauf von Sitzen, die diesem Standard nicht entsprechen, verbietet. Ob das tatsächlich mehr Sicherheit bringt, wird von manchen aber angezweifelt.

Stephen Levitt, Wirtschaftsprofessor an der US-Universität Harvard, kommt in einer Studie zum Schluss, das Kinder ab zwei Jahren, die mit normalen Sicherheitsgurten angeschnallt sind, kein höheres Sterberisiko bei Unfällen haben als Kindersitz-Kinder. er wollte überprüfen, ob die Millioneninvestitionen in die verpflichtenden Kindersitze gerechtfertigt sind. Analysiert hat er dazu die umfangreiche Datensammlung des "Fatality Analysis Reporting System" der US-Verkehrssicherheitsagentur.

Bei der Untersuchung der Daten zwischen 1973 und 2003 kam Levitt zu folgenden Ergebnissen: Jedes Sicherheitssystem ist besser als gar keines. Nur: Ob Kindersitz, normale Sicherheitsgurte oder lediglich Beckengurt, macht praktisch keinen Unterschied bei der Überlebenschance der Kinder zwischen zwei und sechs Jahren.

Peter Jahn, heimischer Experte für Kindersitze, der auch das Verkehrsministerium bei Gesetzen berät, hält nach einer Durchsicht die Studie durchaus für plausibel. Bringen also Kindersitze tatsächlich nichts? Nein, sagt Jahn. Tatsächlich liege das Hauptproblem in der falschen Verwendung, ein Umstand, den auch Levitt kurz streift. "Wir haben in Europa eine sogenannte Misuse-Rate von rund 60 Prozent, in den USA liegt sie nach Untersuchungen bei bis zu 90 Prozent", sagt er.

Das bedeutet, dass der Kindersitz nicht richtig montiert oder das Kind im Sitz nicht richtig gesichert ist. "Ich kann jedes Schutzsystem durch Fehlgebrauch unwirksam machen", meint Jahn. Es sei nicht verwunderlich, wenn der Sitz dann nicht mehr Schutz biete als der Gurt. Nicht erklären kann er sich, wie Levitt zum Schluss kommt, Gurte würden schon Zweijährige sichern. "Gurte sind einfach für eine Größe ab 140 Zentimeter ausgelegt. Ist man kleiner, besteht die Gefahr des Durchrutschens." (moe/DER STANDARD, Printausgabe, 26. Mai 2010)