Wien - Die Stadt zu verlassen, das war in Sex and The City schon immer ein zweischneidiges Unterfangen: Man erinnere sich nur an die traumatische Zugfahrt von New York nach L.A., an verfahrene Wochenenden im halbfertigen Blockhaus Upstate, ans unsägliche Pariser Abenteuer oder den tränenreichen Aufenthalt im mexikanischen Flitterwochen-Ressort nach geplatzter Hochzeit.
Immerhin hielt sich die Dauer dieser Exkursionen stets in vertretbaren Grenzen. Letztlich waren sie Grundlage für die Vertiefung der freundschaftlichen Bande zwischen den eingeschworenen Großstadtpflanzen Carrie (Sarah Jessica Parker), Miranda (Cynthia Nixon), Charlotte (Kristin Davis) und Samantha (Kim Catrall).
Nachdem deren erstes Kinoabenteuer vor zwei Jahren quasi am Standesamt endete, beginnt das neue mit einer pompösen Hochzeitszeremonie. Nicht die unerschütterlich alleinstehende Samantha, sondern Stanford und Anthony kommen unter die Haube. PR-Agentin Samantha wird dafür bald darauf von einem Scheich aus Abu Dhabi als potenzielle Geschäftspartnerin anvisiert. Gemeinsam mit ihren Ladys reist sie zu Sondierungsgesprächen an den Golf. Die Erzählung, die sich zuvor kurz, aber vielversprechend um die Schwierigkeiten beim Finden und Realisieren individuell stimmiger Lebensentwürfe drehte, beginnt dort buchstäblich zu versanden.
Kein Sex, keine City - keine gute Idee: Spätestens mit der Ankunft im Luxusressort (gedreht wurde in Marokko) entwickelt der Film den schalen Charme einer Traumschiff-Folge. Selbst dort ist allerdings in Sachen "sex & crime" mehr los - man bleibt ja weitgehend exterritorial auf seiner schwimmenden Insel.
SATC2 hingegen will den (fundamentalen) kulturellen Widersprüchen nicht ausweichen, laviert dann aber zwischen Antäuschen und Tarnen herum: Der strengen Judikatur in Sachen Freizügigkeit gibt sich selbst Samantha geschlagen. New Yorker Girlpower wird in Form eines windelweichen Frauen-Selbstermächtigungs-Songs auf einer Karaoke-Bühne exportiert.
Und schließlich kann die Geschlechterdiskriminierung so schlimm nicht sein, wenn unter den Burkas der arabischen Schwestern international gefragte Frühjahrskollektionen zum Vorschein kommen. Man könne doch die Tradition einfach nehmen und nach seiner Façon ausstatten, wird daraus kurzgeschlossen.
Geliebte Verrückte
Derartiger Relativismus wird schließlich sogar auf die eigenen Vorleben angewandt: Wie eine Verrückte sei sie früher durch New York gerannt, auf der Suche nach der großen Liebe, resümiert Carrie. Genau das jedoch wollte ein Millionenpublikum sehen - plus die flott wechselnden Damenoberbekleidungs-Extravaganzen. Die bunten Wallewallegewänder aus dem Wüstenurlaub mögen Millionen wert sein, trotzdem verströmen sie den Riviera-Schick vergangener Dekaden.
Sex and The City 2 bestätigt einmal mehr den Umstand, dass das US-Fernsehen, zumal wenn es aus dem Pay-TV-Haus HBO stammt, dem vergleichbar groß produzierten US-Kino den Rang abgelaufen hat. Fernsehserien sind selbst in gegenwärtigen Krisenzeiten oft smarter, gewagter, kurzweiliger und klüger als ein Hollywood-Film. Das SATC-Sequel dauert zwar satte 146 Minuten. Das bisschen Inhalt hätte man in einer Serienfolge aber gut und besser unterbringen können. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 26.05.2010)